B./Unt.Nr.
C-10/93/19906
25.
April 1994
(Abteilung C, Büro 10, BA Dr. iur. J. Boll) Anklägerin
PV [= Polizeiverhaft] 29.11.1993, 07.45 Uhr - 29.11.1993, 17.30 Uhr 2. Ärger,
geb 3. Juni 1965 [...]
3. Stan Polmos,
[...]
4. Zia Zadroga,
[...]
Angeklagte
erbeten verteidigt
durch:
betreffend Gewaltdarstellungen erhebe ich folgende
Die Angeklagten Seelenlos, Ärger, Polmos Stan und Zadroga Zia haben
indem sie
folgendes taten:
Die Angeklagten stellten in arbeitsteiliger Dreh- und Regiearbeit im Zeitraum von Frühling/Sommer 1993 bis September 1993 an den Oertlichkeiten der Hegibachstrasse 86 in Zürich, dem früheren Wohlgroth-Areal sowie an anderen Orten auf Zürcher Stadtgebiet einen circa 25-minütigen Videofilm her, wobei der Angeklagte Seelenlos die Rolle des Polizisten "Wm Adolf Wichser" übernahm, während Ärger den zweiten Beamten "Gfr Hermann Spiesser", Stan Polmos den "Alkoholiker" und schliesslich Zia Zadroga in einer Doppelrolle die Terroristin "Adelheid Metzler" sowie die weibliche Hausbewohnerin spielten. Zudem fertigten sie mindestens 35 Kopien des Filmes unter Verwendung professionell aufgemachter "covers" für die Kassettenhüllen an oder liessen diese von Drittpersonen anfertigen. Von den Videokopien liessen die Angeklagten den lokalen Zeitungsedaktionen von NZZ, Züri-Tip, Blick und WOZ am 18. November 1993 unaufgefordert je ein Exemplar zukommen. Der Film wurde nicht nur mehrfach im privaten Kollegen- und Bekanntenkreis an der Hegibachstrasse 86 gezeigt. Mittels Handzetteln, die einerseits auf eine erfolgte "sneak preview" des Videos und die entsprechenden Publikumsreaktionen (act. 20/4), andrerseits aber auch auf die auf Freitag, den 26. November 1993, 2200 Uhr, anberaumte Uraufführung in der Virus-Bar, Geroldstrasse 5 in Zürich 5 (act. 20/1; 20;3) aufmerksam machten, wurde der Film einem breiteren Publikumskreis zugänglich gemacht. Eine erste öffentliche Filmaufführung, die von den Angeklagten selbst filmisch festgehalten wurde, fand wie angekündigt am 26. 11. 1993 in den "Katakomben" (Virus-Bar, 2. Stock, 2200 Uhr) statt, da die zuvor erfolgte polizeiliche Räumung des Wohlgroth Areals die ursprünglich für dort geplante Uraufführung verunmöglichte. Zudem waren weitere regelmässige Vorführungen in der Virus-Bar geplant und mit Handzetteln (act. 20/4) angekündigt worden. Darüber hinaus benutzten die Angeklagten den Abend der Uraufführung zum gleichzeitigen Verkauf der vorgängig hergestellten und mit dem Hinweis "[SSI] P.O.Box 2122 CH-8031 Zürich" und "Hegibach-Productions 1993" - ein auf Seelenlos und Ärger lautendes Postfach als Kontaktadresse - versehenen Video-Kopien zu einem Preis von ca. Fr. 20.—sowie von T-Shirts mit dem roten Aufdruck "Blutgeil". Sie beabsichtigten schliesslich, den Video in den Veranstaltungskalender aufzunehmen und ihn im Rahmen der "Interaktiv Aktions Nächten" vorführen zu lassen oder selbst vorzuführen.
Die Angeklagten haben die ihnen zur Last gelegten Handlungen in der Absicht vorgenommen, den lediglich in Ansätzen auszumachenden Handlungsablauf ohne eigentlich wirklichen Sinnzusammenhang und ohne nennenswerten parodistischen, satirischen oder ernsthaft sozialkritischen Hintergrund lediglich in einer Aneinanderreihung von sich bis zur Ekstase steigernden Brutalitätsszenen erschöpfen zu lassen, wobei die Insistenz auf Details und die oftmals mehrere Sekunden dauernden Nahaufnahmen von besonders grausamen Szenen den Darstellungen einen erschreckend realistischen Eindruck verleihen. Dieser wird durch die Verwendung von täuschend echt anmutenden Filmutensilien wie u.a. selbsthersgestellte Uniformen, Waffen sowie einer synthetischen Unterschenkelatrappe noch verstärkt. Die Dauer und Intensität, aber auch die Wiederholung der durch die sadistischen Peinigern den Opfern mit absoluter Gefühlskälte und Erbarmungslosigkeit zugefügten körperlichen Leiden und die entsprechende Geräuschkulisse vermögen unschwer ins Bewusstsein eines neutralen Betrachters einzudringen und bei ihm einen nicht leicht zu vergessenden Eindruck zu hinterlassen.
Dabei sind insbesondere die folgenden Filmausschnitte von äusserst brutalen Gewaltszenen gekennzeichnet:
Die beiden Beamten dringen in das Wohnhaus, in welches zuvor die verletzte Frau vor ihren Peinigern geflüchtet war, ein und treffen - nachdem sie einen angetrunkenen Hausbewohner brutal mit Stockschlägen bewustlos geschlagen haben - in einem immer auf zwei weitere an einem Tisch sitzende männliche Hausbewohner, von denen der eine bewaffnet ist und sogleich einen Schuss auf Wichser abgibt und ihn an der Hand verletzt. Letzterer wiederum schiesst gezielt auf den Unterleib des Schützen. Während sich dieser auf dem Stuhl windet, ergreift der andere einen als Briefbeschwerer dienenden Stein und schleudert ihn gegen den Kopf von Wichser, worauf dieser schliesslich bewusstlos zu Boden geht und Spiesser die Flucht ergreift. Auf den Körper des wehrlos am Boden liegenden Beamten wird nun ein weiterer Schuss abgegeben und anschliessend von einem der Bewohner - in wohl beispielloser Roheit und zu reiner Befriedigung abartigsten Vergnügens - auf dessen Gesicht und Oberkörper uriniert.
Dadurch haben sich
die Angeklagte Seelenlos, Ärger, Polmos Stan und Zadroga Zia
- der Gewaltdarstellung im Sinne von Art 135 Ab. 1 StGB
Anträge:
- des Filmes "Blutgeil" (Dauer: 25 Min.) - des Videos Hi-8 ("Urauf.Blg. Virus 26.11.93") durch das Gericht. - Schuldigsprechung im Sinne der Anklage - Bestrafung mit ja 4 Monaten Gefängnis, unter Anrechnung der erstandenen Polizeiverhaft von je einem Tag - Gewährung des bedingten Strafvollzuges, unter Ansetzung einer Probezeit von je 2 Jahren - Einziehung und teilweise Vernichtung der durch die Bezirksanwaltschaft Zürich mit Verfügung vom 20 April 1994 [Führersgeburtstag!] beschlagnahmten Gegenstände (act. 19/12, Positionen Nr. bis 30) - Teilweise Herausgabe
der durch die Bezirksanwaltschaft Zürich mit Verfügung vom 20.
April 1994 [Führersgeburtstag!] beschlagnahmten Gegenstände an
die Angeklagten (act. 19/12, Positionen Nr. 31 bis 45)
Abteilung C Büro 10 [Unterschrift]
Kopie z.K. an: - die Angeklagten
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