SSI home        Zensur       Schweiz        Art. 135        Vorzensur       Video-Burning!
 
BEZIRKSANWALTSCHAFT ZÜRICH

B./Unt.Nr. C-10/93/19906                        25. April 1994 
 
 

ANKLAGESCHRIFT
 
an den Bezirksgericht Zürich
Kollegialgericht
 
            In Sachen
Bezirksanwaltschaft Zürich 
(Abteilung C, Büro 10, BA Dr. iur. J. Boll) 
Anklägerin
gegen
1. Seelenlos, geb. 23. April 1963 [...] 
  
PV [= Polizeiverhaft] 29.11.1993, 07.45 Uhr - 29.11.1993, 17.30 Uhr 
  

2. Ärger, geb 3. Juni 1965 [...] 
  
PV: 29.11.1993, 08.30 Uhr - 29.11.1993, 17.30 Uhr 
  

3. Stan Polmos, [...] 
  
PV: 29.11.93, 08.30 Uhr - 29.11.1993, 17.20 Uhr 
  

4. Zia Zadroga, [...] 
  
PV: 29.11.93, 08.30 Uhr - 29.11.1993, 17.30 Uhr, 

  

Angeklagte 
 - 2 -
 

  erbeten verteidigt durch: 
 
 

      RA lic.iur. Barbara Hug, [...]
  
      RA lic.iur. Kurt Mäder [...]
  
betreffend Gewaltdarstellungen 
  

erhebe ich folgende 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
  

- 3 - 

  

A N K L A G E

  

Die Angeklagten Seelenlos, Ärger, Polmos Stan und Zadroga Zia haben 

  

  • Ton und Bildaufnahmen, die, ohne schutzwürdigen kulturellen oder wissenschaftlichen Wert zu haben, grausame Gewalttätigkeiten gegen Menschen eindringlich darstellen und dabei die elementare Würde des Menschen in schwerer Weise verletzen, hergestellt, gelagert, in Verkehr gebracht, angepriesen, ausgestellt, angeboten, gezeigt, überlassen oder zugänglich gemacht
  

indem sie 

  

  • aufgrund gemeinsamer Planung und in gleich massgeblichem Zusammenwirken, wobei jeder mit den Teilhandlungen des anderen einverstanden war,
  

folgendes taten: 

  

Die Angeklagten stellten in arbeitsteiliger Dreh- und Regiearbeit im Zeitraum von Frühling/Sommer 1993 bis September 1993 an den Oertlichkeiten der Hegibachstrasse 86 in Zürich, dem früheren Wohlgroth-Areal sowie an anderen Orten auf Zürcher Stadtgebiet einen circa 25-minütigen Videofilm her, wobei der Angeklagte Seelenlos die Rolle des Polizisten "Wm Adolf Wichser" übernahm, während Ärger den zweiten Beamten "Gfr Hermann Spiesser", Stan Polmos den "Alkoholiker" und schliesslich Zia Zadroga in einer Doppelrolle die Terroristin "Adelheid Metzler" sowie die weibliche Hausbewohnerin spielten. Zudem fertigten sie mindestens 35 Kopien des Filmes unter Verwendung professionell aufgemachter "covers" für die Kassettenhüllen an oder liessen diese von Drittpersonen anfertigen. Von den Videokopien liessen die Angeklagten den lokalen Zeitungsedaktionen von NZZ, Züri-Tip, Blick und WOZ am 18. November 1993 unaufgefordert je ein Exemplar zukommen. Der Film wurde nicht nur mehrfach im privaten Kollegen- und Bekanntenkreis an der Hegibachstrasse 86 gezeigt. Mittels Handzetteln, die einerseits auf eine erfolgte "sneak preview" des Videos und die entsprechenden Publikumsreaktionen (act. 20/4), andrerseits aber auch auf die auf Freitag, den 26. November 1993, 2200 Uhr, anberaumte Uraufführung in der Virus-Bar, Geroldstrasse 5 in Zürich 5 (act. 20/1; 20;3) aufmerksam machten, wurde der Film einem breiteren Publikumskreis zugänglich gemacht. Eine erste öffentliche Filmaufführung, die von den Angeklagten selbst filmisch festgehalten wurde, fand wie angekündigt am 26. 11. 1993 in den "Katakomben" (Virus-Bar, 2. Stock, 2200 Uhr) statt, da die zuvor erfolgte polizeiliche Räumung des Wohlgroth Areals die ursprünglich für dort geplante Uraufführung verunmöglichte. Zudem waren weitere regelmässige Vorführungen in der Virus-Bar geplant und mit Handzetteln (act. 20/4) angekündigt worden. Darüber hinaus benutzten die Angeklagten den Abend der Uraufführung zum gleichzeitigen Verkauf der vorgängig hergestellten und mit dem Hinweis "[SSI] P.O.Box 2122 CH-8031 Zürich" und "Hegibach-Productions 1993" - ein auf Seelenlos und Ärger lautendes Postfach als Kontaktadresse - versehenen Video-Kopien zu einem Preis von ca. Fr. 20.—sowie von T-Shirts mit dem roten Aufdruck "Blutgeil". Sie beabsichtigten schliesslich, den Video in den Veranstaltungskalender aufzunehmen und ihn im Rahmen der "Interaktiv Aktions Nächten" vorführen zu lassen oder selbst vorzuführen. 

  

Die Angeklagten haben die ihnen zur Last gelegten Handlungen in der Absicht vorgenommen, den lediglich in Ansätzen auszumachenden Handlungsablauf ohne eigentlich wirklichen Sinnzusammenhang und ohne nennenswerten parodistischen, satirischen oder ernsthaft sozialkritischen Hintergrund lediglich in einer Aneinanderreihung von sich bis zur Ekstase steigernden Brutalitätsszenen erschöpfen zu lassen, wobei die Insistenz auf Details und die oftmals mehrere Sekunden dauernden Nahaufnahmen von besonders grausamen Szenen den Darstellungen einen erschreckend realistischen Eindruck verleihen. Dieser wird durch die Verwendung von täuschend echt anmutenden Filmutensilien wie u.a. selbsthersgestellte Uniformen, Waffen sowie einer synthetischen Unterschenkelatrappe noch verstärkt. Die Dauer und Intensität, aber auch die Wiederholung der durch die sadistischen Peinigern den Opfern mit absoluter Gefühlskälte und Erbarmungslosigkeit zugefügten körperlichen Leiden und die entsprechende Geräuschkulisse vermögen unschwer ins Bewusstsein eines neutralen Betrachters einzudringen und bei ihm einen nicht leicht zu vergessenden Eindruck zu hinterlassen. 

  

-  4 - 
 

Dabei sind insbesondere die folgenden Filmausschnitte von äusserst brutalen Gewaltszenen gekennzeichnet: 

  

  1. Position 1: (Filmausschnitt 05:35)
  
  • Im Zuge einer Ueberprüfung eines Drogenumschlagplatzes dringen die zwei Polizisten Wichser und Spiesser in das Innere einer öffentlichen Toilettenanlage ein. Spiesser zerrt sogleich eine anwesende Drogenabhängige brutal aus einer der WC-Kabinen und schlägt unzählige Male erbarmungslos mit wuchtigen Stockschlägen auf Gesicht, Kopf und Körper der Wehrlosen, bis sie schliesslich das Bewusstsein verliert, währenddessen Wichser die anderen drei angetroffenen Drogenabhängigen in Schach hält. Als Spiesser von der blutüberströmtem Frau ablässt und sich di beiden Beamten den übrigen Personen zuwenden, fällt beim Abtasten derselben ein mit Drogen gefülltes Minigrippsäcklein zu Boden. Die sich danach bückende Person wird von Wichser auf der Stelle erschossen. Ein zweiter Drogenabhängiger, der sich mit der Bemerkung "Hee goht's no?" zu Wort meldet, wird sofort von Spiesser auf sadistische Weise mit dem Schlagstock traktiert und - am Boden liegend und aus dem Mund blutend - auf dessen Aufforderung hin "Keine Zeugen" von Wichser mit drei gezielten Schüssen aus unmittelbarer Nähe ermordet. Da die Beamten erkennen müssen, dass sich die schwerverletzte Frau mittlerweile unbemerkt entfernen konnte, wird der verbleibende Drogendealer in Handschellen gelegt und - mit der Schusswaffe gegen seinen Kopf gerichtet - unter Todesdrohungen gezwungn, die Adresse der Verschwundenen bekanntzugeben. Als er dies getan hat, wird das durch die Beamten mit beispielloser Gefühlskälte zelebrierte Spiel mit den Todesängsten auch ihres letzten Opfers drastisch vor Augen geführt, als sie es - unter hämischem Grinsen - mit einem Kopfschuss hinrichten.
  
- 5 - 
 
  1. Position 2 (Filmausschnitt 13:30)
  

 Die beiden Beamten dringen in das Wohnhaus, in welches zuvor die verletzte Frau vor ihren Peinigern geflüchtet war, ein und treffen - nachdem sie einen angetrunkenen Hausbewohner brutal mit Stockschlägen bewustlos geschlagen haben - in einem immer auf zwei weitere an einem Tisch sitzende männliche Hausbewohner, von denen der eine bewaffnet ist und sogleich einen Schuss auf Wichser abgibt und ihn an der Hand verletzt. Letzterer wiederum schiesst gezielt auf den Unterleib des Schützen. Während sich dieser auf dem Stuhl windet, ergreift der andere einen als Briefbeschwerer dienenden Stein und schleudert ihn gegen den Kopf von Wichser, worauf dieser schliesslich bewusstlos zu Boden geht und Spiesser die Flucht ergreift. Auf den Körper des wehrlos am Boden liegenden Beamten wird nun ein weiterer Schuss abgegeben und anschliessend von einem der Bewohner - in wohl beispielloser Roheit und zu reiner Befriedigung abartigsten Vergnügens - auf dessen Gesicht und Oberkörper uriniert.

  • Durch die entsprechende Kameraführung (Froschperspektive aus der Sicht des Beamten) wird der Zuschauer absichtlich noch stärker in das Geschehen miteinbezogen und der beabsichtigte Eindruck auf das Zielpublikum von der erniedrigenden Entwertung des Opfers als menschliches Individuum noch vertieft. Von den beiden Männern wird Wichser mit vereinte Kräften an den Armen ergriffen und sein blutüberströmter Oberkörper hochgehoben. Beide traktieren ihr Opfer nun mit gezielten Faust- und Fusstritten in die Bauchgegend und auf den Rücken. Danach wird ihm eine Pistole unter sein Kinn gehalten, worauf die extremen Angst- und Schmerzzustände ihn zu einer spontanen Darmentleerung provozieren. Schlussendlich wird der Gepeinigte mit einem Kopfschuss hingerichtet, wobei die an die Wand und auf den Boden spritzende Gehirnmasse von der Kamera in Nahaufnahme eingefangen wird.
  
- 7 - 
 
  1. Position 3 (Filmausschnitt 16:10)
 
  • Der flüchtende Spiesser wird von dem angetrunkenen Hausbewohner, der zwischenzeitlich das Bewusstsein wiedererlangt und sich mit einer Axt bewaffnet hat, in die oberen Stockwerke verfolgt. Der auf dem Treppenabsatz angelangte Spiesser zückt die Waffe und hält den einige Stufen unter ihm mit erhobener Axt stehenden Alkoholiker damit in Schach [richtig: Der Alkoholiker war gestolpert und liegt nun auf der Treppe]. Hinter dem Beamten nähert sich aber von ihm unbemerkt eine Frau, die ihm ein Messer in den Rücken rammt, ihn auf diese Weise überwäligt und ihm die Waffe entreisst. Der verletzte Beamte liegt - die Frau richtet nun die Waffe auf seinen Kopf - am Treppenabsatz, worauf der Alkoholiker sich rasch nähert und mit einem Axthieb dessen Unterschenkel abzutrennen versucht. Während Sekunden verharrt die Kamera auf dem halbabgetrennten Beinstumpf mit dem aus der Wunde herausschiessenden Blut sowie auf dem schmertverzerrten Gesicht des Opfers. Zudem wird der Alkoholiker, dessen Gesicht und T-Shirt mit dem fremden Blut über und über bespritzt sind, gezeigt, wie er genüsslich mit dem Beil in der tiefen Wunde stochert.
  • Nun reisst der Alkoholiker mit blossen Händen das Gliedmass vollends ab und verzehrt in seinem Blutrausch auch noch Teile davon, wobei diese ekelerregende und an bestialischer Roheit kaum zu überbietende Sequenz im Film über zehn Sekunden dauert und von der Kamera in bildschirmfüllenden Deatailaufnahmen gezeigt wird.
  • Spiesser wird schliesslich von der Frau das Hemd aufgerissen und bei vollem Bewusstsein mit dem Messer der Bauch aufgeschlitzt. Die Eingeweide werden vom Alkoholiker herausgerissen [ist gar nicht zu sehen] und verzerrt.
  • Die Kamera zeigt darauf in einer längeren Einstellung die verstümmelten Leichen der beiden Personen - insbesondere die Gesichter sowie die freiliegenden Eingeweide Spiessers - in für den neutralen Betrachter äusserst suggestiven Nahaufnahmen.
  
- 8 -
 

Dadurch haben sich die Angeklagte Seelenlos, Ärger, Polmos Stan und Zadroga Zia 
  

- der Gewaltdarstellung im Sinne von Art 135 Ab. 1 StGB 

  
schuldig gemacht, wofür sie zu bestrafen sind.
 

Anträge:

          -   Visionierung
               - des Filmes "Blutgeil" (Dauer: 25 Min.)
               - des Videos Hi-8 ("Urauf.Blg. Virus 26.11.93")
               durch das Gericht.

          - Schuldigsprechung im Sinne der Anklage

          - Bestrafung mit ja 4 Monaten Gefängnis, unter Anrechnung der erstandenen Polizeiverhaft von je einem Tag

          - Gewährung des bedingten Strafvollzuges, unter Ansetzung einer Probezeit von je 2 Jahren

          - Einziehung und teilweise Vernichtung der durch die Bezirksanwaltschaft Zürich mit Verfügung vom 20 April 1994 [Führersgeburtstag!] beschlagnahmten Gegenstände (act. 19/12, Positionen Nr. bis 30)

          - Teilweise Herausgabe der durch die Bezirksanwaltschaft Zürich mit Verfügung vom 20. April 1994 [Führersgeburtstag!] beschlagnahmten Gegenstände an die Angeklagten (act. 19/12, Positionen Nr. 31 bis 45)
           
           

              BEZIRKSANWALTSCHAFT ZÜRICH
              Abteilung C                       Büro 10

              [Unterschrift]
              BA Dr. iur. Boll
               

Kopie z.K. an:

- die Angeklagten
- die Verteidiger 
 
 
 

SSI home        Zensur       Schweiz        Art. 135        Vorzensur       Video-Burning!