Splatting Image Nr. 17, März 1994
Klares Kunstkino:
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BLUTGEIL
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Die Schweiz ist nahe. Da wirft das Auge des Gesetzes gerne mal einen Blick
'rüber zu den bundesdeutschen Vollstreckern der Staatsgewalt, um kulturelles
'Unkraut' zu vernichten. Die Zürcher Polizei hat Probleme, wie sie in jeder
Grossstadt zu finden sind: Mord & Totschlag, Drogenmissbrauch ... Hausbesetzer! Und nirgends schreitet man krampfhafter
zum Kampf. Da fängt man ganz klein an: Verkehrssünder werden geächtet! Jetzt
hat die Spielwiese eine Erweiterung erfahren. Amateurvideos von subversiven
Elementen müssen ausgerottet werden. Was einem Ittenbach in Deutschland gut,
kann den Besetzern des Stadtkreises 7 nur recht sein. Deren Filmchen BLUTGEIL
zog überwältigendes Interesse der Polizei an, zumal die Macher dieses Streifens
keine Mühe gescheut hatten, die Existenz ihres Werkes der Allgemeinheit zu
verkünden. Sie schickten einfach ein paar Kopien an die Zürcher Boulevardpresse,
die die Sensation dieses geil blutigen Epos anpriesen. Natürlich war man angewidert,
schilderte aber genüsslich die Greueltaten und da es hier um Gewalt gegen Bullen
ging, standen die wenig später auf der Matte und beschlagnahmten ausnahmslos
alles, was nach Film aussah.Die Produzenten des Streifens holten nun bei einigen
namhaften Künstlern (u.a. H.R. Giger) Stellungnahmen zum Fall BLUTGEIL ein. Wie jetzt über die Rechtmässigkeit der Beschlagnahmung entschieden wurde,
war bei Redaktionsschluss noch nicht bekannt.
Die Frage brennt natürlich auf den Fingernägeln, was denn nur dran sei an diesem
BLUTGEIL, dass er in der doch so 'ruhigen' Schweiz dieses Aufsehen erregte?
Womit wir bei der Handlung wären:
In der 'Tagesschau' gibt eine dicktittige Nachrichtensprecherin (die verdächtigerweise
kurz vorher irgendetwas in der Nase hochschnäubt) bekannt, dass bei einem terroristischen
Anschlag mit einer Handgranate nicht, wie bisher vermutet, 23, sondern nur
21 Polizisten ums Leben gekommen sind. Der Tat verdächtigt wird die 22-jährige
Adelheid Metzler. Bereits nach diesem kurzen Abschnitt wird deutlich, dass
hier einfach bestrafungswürdige Unwahrheiten kriminellen Ausmasses suggeriert
werden: 1. Dicke dürfen keine Nachrichten verkünden; 2. In der Fernseh- oder
Filmbranche werden keine Drogen genommen; 3. In der Schweiz gibt es keine Terroristen;
4. Die sind erst recht nicht 22 Jahre alt und ausserdem: Wie reden Sie eigentlich
über meine Frau? Nachdem hier schon sämtliche Tatbestandsmerkmale für eine
strafrechtliche Verfolgung erfüllt sind, folgt vergleichsweise harmloses Gewaltkino.
Die beiden Bullen, die den Anschlag überlebt haben, möchten Rache nehmen für
den Tod ihrer 21 Kollegen und ziehen so durch die Strasse. Auf einer öffentlichen Toilette stossen sie auf Adelheid, die sich gerade einen
Schuss Heroin setzen will, während ihre Kumpanen an der Pissrinne einen Drogendeal
abziehen. Es kommt zu einer Auseinandersetzung zwischen Staat und Bürger, in
deren Verlauf die beiden Polizisten Adelheid sanft mit ihren Schlagknüppeln
blutig streicheln und sich mit der Entleerung eines Patronenmagazins von den
drei Dealern verabschieden. Adelheid flüchtet sich in ihre Unterkunft, in der
noch drei andere überaus sympathische junge Herren hausen. Der eine hat ein
Alkoholproblem und trifft deshalb beim Pinkeln im Stehen das Klobecken nicht
mehr so gut, die anderen beiden vergnügen sich in ihrer Freizeit mit dem Rauchen
überlanger Haschzigaretten oder dem Aufsaugen von Kokainbergen. Die Bullen
folgen natürlich der Blutspur Adelheids und landen schliesslich im trauten
Heim der oben beschriebenen Wohngemeinschaft, wo sie zur Begrüssung freundlich
vom Alkoprolo angekotzt werden. Ihre Zuneigung erwidern die beiden prompt mit
Streicheleinheiten der Schlagknüppel. Die Sprache der Liebe kennt keine Grenzen. Ein unglückliches
Missgeschick lässt die beiden dann allerdings sterben. Der eine verliert, als
sich aus der Waffe eines Bewohners versehentlich ein Schuss löst, sein Gehirn.
Der andere stolpert in die Axt von Alkoprolo, die dieser ihm gerade präsentieren
wollte. Dabei verliert er seinen Unterschenkel und fällt dem Küchenmesser Adelheids
zum Opfer, das auf seiner Bauchdecke ausrutscht und die Eingeweide freilegt.
Zur Trauer des Tages lädt man ein paar Bekannte ein und verköstigt sich gemeinsam
an einem üppigen Mahl, welches die Bezeichnung 'Bullenarsch' trägt.
Ja, was die staatlichen Ausführungsorgane jetzt mal abgesehen von den eingangs
erwähnten vier Punkten dazu bewegt hat, diese sozialkritische Komödie unter
Verschluss zu nehmen, könnte die deutliche Präzision sein, mit der hier der
Regisseur die Geschehnisse zeigt. Es bleibt halt nichts im Verborgenen. BLUTGEIL
ist direkt, verroht, grausam, abartig, pervers und gemein. Aber was ist das
schon nicht?
Wer sich diese Brutalo-Komödie einfahren möchte, aber keinen Verwandten bei
der Zürcher Polizei hat, der blättere einfach eine Seite zurück. Alles klar?
Thomas Schweer
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