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Demokratie für Fortgeschrittene, Part VII, Chapter 4

"A democracy must allow room for many forms of artistic expression, even those that government officials consider in "bad taste", or that express a viewpoint critical of the government and the police." (Aus einem Schreiben der US-Menschenrechtsorganisation National Campaign for Freedom of Expression (NCFE), www.ncfe.net an das Obergericht) 

"Politically motivated restrictions on artistic content have no place in a democratic society. People should be free to view or not view the video, as they chose, and to form their own opinions about it." (Aus einem Schreiben des NCFE an Staatsanwalt Dr. Hohl) 

"The continued persecution of BLUTGEIL calls into question Switzerland's international reputation as a free and open society." (Schreiben NCFE an Staatsanwalt Dr. Hohl) 
 

  Der "Fall BLUTGEIL", The Final Chapter, Part 5
 
Für die Kunst
ins Gefängnis!
Zürich, den 1.3.2000
  
Liebe Freundinnen und Freunde des schlechten Geschmacks 

Wieder einmal heisst es: Der Countdown läuft... 

In gut zwei Wochen ist es soweit: Die Schweizer Demokratie verliert ihr Gesicht. 

Generationen sind mit dem Bewusstein aufgewachsen, dass hierzulande keine Bücher verbrannt und Menschen deswegen ins Gefängnis gesteckt werden. 

Das ist nun vorbei. Auch internationale Proteste von Künstlern, Sachverständigen und Menschenrechtsorganisationen haben nichts gefruchtet: Nach der amtlichen Verbrennung von BLUTGEIL im Jahre 1995 hat einer der vier wegen BLUTGEIL Verurteilten, vom Obergericht 1996 zu 33 Tagen unbedingt verknurrt, nunmehr die Vorladung in den Strafvollzug in einen sogenannten "Kindergartenknast" erhalten. 

"Herzlichen Dank für Ihre freundliche Einladung. Wenn es die hiesige Rechtsprechung erfordert, dass ich als Schweizer Künstler eine Gefängnisstrafe absitzen muss, bloss weil ich bei einem Videofilm mitgemacht habe ohne gleichzeitig reich zu sein, so bin ich meinerseits durchaus bereit, dieses anscheinend notwendig gewordene Zeichen zu setzen. (Meiner Reputation im In- und Ausland wird's bestimmt nicht schaden. Doch auch für die Schweiz hege ich längerfristig noch Hoffnung: Immerhin werden hierzulande mittlerweile "nur" noch die beschlagnahmten Filme amtlich verbrannt und nicht auch noch die Menschen. Find ich ja schon mal flott.)" (Aus dem Antwortschreiben) 

Und er wird wohl kaum der letzte bleiben. Erst kürzlich wurden allein im Kanton Zürich unter dem Vorwand von Art. 135 in Geschäften mindestens zwei Razzien durchgeführt, bei denen zahlreiche Filme beschlagnahmt wurden (diesmal u.a. Luc Bessons "Leon der Profi" und George A. Romeros "Dawn of the Dead"), sowie ein Strafverfahren gegen mindestens einen neuen Film eingeleitet - mit "Projekt Fleisch" beruhigenderweise auch diesmal wieder gegen eine Schweizer No-Budget-Produktion. 

Regelmässig werden hierzulande unter Ausschluss der Öffentlichkeit Filme beschlagnahmt und verbrannt, Razzien bei Filmliebhabern, Videotheken und Filmhandlungen durchgeführt und Menschen gerichtlich verurteilt, einzig weil sie Filme gucken, welche dem behördlich festgelegten "massgebenden Geschmack der Mehrheit" (O-Ton Staatsanwalt Hohl im BLUTGEIL-"Pilot"-Prozess, vgl Tages Anzeiger und NZZ 7.9.95) möglicherweise krass zuwiderlaufen. 

"The history of Nazism in Europe and McCarthyism in the U.S. demonstrates the dangers of cultural and political absolutism. We should heed those eras' hard-won historical lessons in order to ensure that similar abuses are not repeated." (Schreiben NCFE an das Obergericht) 

"Wenn Sie gegen die - Ihres Erachtens ungerechtfertigte - Kriminalisierung eines Kunstschaffenden protestieren, so ist das Ihr gutes Recht. (...) Ich bitte Sie jedoch zu beachten, dass das fragliche Urteil von Oberrichtern gefällt wurde, die nach demokratischen Regeln gewählt worden sind und die verschiedenen politischen Parteien angehören. Die Legitimation der Oberrichter ist damit über jeden Verdacht erhaben." (Aus einer Antwort von Staatsanwalt Dr. Hohl auf einen Fax der Neue Gesellschaft für bildende Kunst NGBK, Berlin) 

33 Tage für einen 20-minütigen Videofilm. Das nächste Mal darf's ruhig auch ein bisschen mehr sein. Sitz ich immer noch auf einer Backe ab. Auch wenn's dann ein richtiges Gefängnis ist. 

Denn es geht um mehr. Nämlich um nicht weniger als die Frage, ob wir hierzulande mittelfristig als freie Schweizer Künstler weiterhin friedlich und in Frieden leben und arbeiten können, oder ob wir gezwungen werden Kameras, Schnittplätze, Schreibmaschine etc gegen Kalaschnikows, Handgranaten, Rakrohre und dergleichen mehr zu tauschen, um unser verfassungsmässig verbrieftes Recht auf freie Meinungsäusserung in die eigenen Hände zu nehmen rsp. kraft aktiven Widerstandsrechtes militant zu verteidigen. 

Fortsetzung folgt... Jetzt übrigens auch online auf  www.blutgeil.com mit sämtlichen Links. Bleiben Sie dran, wenn's gleich nach der Werbung heisst: Analkontrolle leichtgemacht... Wird der Chef der Politischen Abteilung auch diesmal wieder persönlich anwesend sein? Was tun, wenn der Gummihandschuh platzt? Haben mittellose Schweizer Künstler Rechte? Was wird die Anstaltsleitung dagegen unternehmen? Kann Vollwertnahrung strafbar sein? Wird Strassburg eingreifen? Sind Dissidenten zwangsläufig bessere Menschen? Ist Dummheit heilbar? 

Mit freundlichen Grüssen SSI 

 
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