c/o Flughafengefängnis, Abt. Strafvollzug, Postfach, 8058 Zürich-Flughafen
20. April 2000 (Führersgeburtstag!)
(Schwyzerdeutsch: Willkommen zu Hause!) Ging ja plötzlich megaflott. Hatt grad noch Zeit, ne Handvoll geraffelten Knoblauch zu schlucken, als der Stockchef an meine Zelle klopft (!) und mich zur Sondersitzung der Oberen 3 in den Kultusraum der Ausschaffungsabteilung abholt. Freudig eröffnet Herr Rohner "die Verhandlung". Anschliessend noch mein Frühstück essen lag bereits nicht mehr drin: Plötzlich hatten sie's derart eilig mich rauszuschmeissen, dass mir sogar noch ne Stunde erlassen wurde! (Strafantritt Urdorf: 09:30 Uhr, Entlassung Flughafengefängnis: 08:30 Uhr, aber subito!) Als chronischer Zweifler hatt ich's nicht zu hoffen gewagt, dass Seiner Souveränität König Kraskas' Wort derart weit derart wörtlich genommen wird, doch siehe da: Wenn Er einen "Akt der Gnade Gottes" befielt, so will sich anscheinend wirklich niemand lumpen lassen. Der eine Schliesser sogar noch voll: "Jetzt wollen wir Sie nicht mehr!" Sollte wohl als Witz gemeint sein, höhöhö, doch so verräterisch freundlich hatte seine Stimme noch nie geklungen. Diesmal war ich immerhin schlagfertig genug für: "Kann ich mir schon vorstellen, dass einige froh sind, wenn sie mich loshaben." Zelle noch selber fertigputzen? Keine Zeit! Kleiner Seitenhieb so nebenbei an den Gefangenen im Stockinnendienst. Immerhin, die mit Leuchtpapier verklebte Lüftung durfte ich noch freikratzen, bis schliesslich nicht mal mehr Zeit blieb für die obligate Stunde im Bunker bis das Taxi kommt. Geschweige denn, dass ich mich noch von den andern hätte verabschieden können. Hoff ihr habt wenigstens den Food gekriegt. Der letzte so richtig grosse Hammer war allerdings noch am Vortag auf mein armes Haupt niedergekommen, und ich will's nicht verhehlen, dass ich daran wohl noch ne Weile zu nagen haben werd. Um das Ganze nicht noch schlimmer zu machen, hier nur soviel: Aus den Andeutungen eines Schliessers ("Denken Sie mal da drüber nach!") muss ich wohl oder übel den einzig logischen Schluss ziehn, dass meine privaten handschriftlichen Aufzeichnungen schlussendlich nicht ganz so privat warn wie's da aufm Deckel stand, oder zumindest nicht solange ich beispielsweise am Spazieren war und jeder mit einem Schlüssel - also beispielsweise auch der Stockchef, heisst dann wohl "Zellenkontrolle" - ungehindert Zugang zu meiner Zelle hatte, und ich war leider, leider naiv und dumm genug, mir dort auch paar Dinge notiert zu haben, mit denen nun - quasi als Retourkutsche auf meine Beschwerde, in der ja der Stockchef nicht grad superkorrekt dasteht - der eine oder andre korrekte Schliesser auch über meinen vorzeitigen Abgang hinaus so richtig fröhlich eins, zwei, drei gemobbt werden solln - was, wie ich den Laden dort mittlerweile kenn, bestimmt kein Spass ist. Dass mir das unendlich leid tut, nützt da vermutlich herzlich wenig. Trotzdem wär's mir wohler, hätt ich wenigstens noch Gelegenheit gehabt, mich bei den betreffenden Betroffenen zu entschuldigen. Nach unten geht's, doch diesmal nicht zum Besuchszimmer. Der Stockchef zeigt mir die Abrechnung (TV-Miete schon zurückgebucht), ich quittier Kohle plus Effektenliste, obwohl theoretisch ein Sack fehlt (den er sonst einfach gestrichen hätte, kein Problem) und sonst paar Dinge, die ich vielleicht besser nicht aufschreib. (Oder was meinen Sie?) Schliesslich geleitet er mich persönlich hinaus durch die "Todeszone" (im GULAG Vorhof genannt, mit täglich mit dem Rechen gelockerter Erde, damit man allfällige Fusspuren gut sah) vors Eingangstor zum Taxi, "Vielleicht sieht man sich ja mal draussen".
Zu 8058 Zürich
am Führersgeburtstag im Jahre 2000
Cheers
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