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STAATSANWALTSCHAFT DES KANTONS ZÜRICH
 
 

Florhofgasse 2, Postfach                    8023 Zürich, 29. Oktober 1996
Telefon: (01) 265 77 11

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                    Frau
                    Leonie Baumann

                    Neue Gesellschaft für

                    bildende Kunst e.V.

                    Oranienstrasse 25

                    D-10999 Berlin

                     
Bussenumwandlung i.S. Seelenlos
Film "Blutgeil"
 

Sehr geehrte Frau Baumann

Mit Schreiben bzw. Fax vom 23. Oktober 1996 teilten Sie der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich mit, Sie hätten mit völligem Unverständnis zur Kenntnis genommen, dass Seelenlos als Mitautor des Videos "Blutgeil" zu einer Gefängnisstrafe von 33 Tagen verurteilt worden sei.

Dazu ist folgendes zu bemerken bzw. richtigzustellen:

Seelenlos wurde im Zusammenhang mit der Produktion des Films "Blutgeil" am 6. September 1996 vom Obergericht des Kantons Zürich der Gewaltdarstellungen im Sinne von Art. 135 Abs. 1 des schweizerischen Strafgesetzbuches schuldig gesprochen und mit einer Busse von Fr. 1'000.- bestraft. Dieser Entscheid, der übrigens einstimmig erging, ist rechtskräftig. Wenn Sie gegen die - Ihres Erachtens ungerechtfertigte - Kriminalisierung eines Kunstschaffenden protestieren, so ist das Ihr gutes Recht. Indessen müssten Sie Ihren Protest primär nicht an die Staatsanwaltschaft, sondern an das Obergericht richten. Ich bitte Sie jedoch zu beachten, dass das fragliche Urteil von Oberrichtern gefällt wurde, die nach demokratischen Regeln gewählt worden sind und die verschiedenen politischen Parteien angehören. Die Legitimation der Oberrichter ist daher über jeden Verdacht erhaben.

In der Folge hat Seelenlos weder die Busse bezahlt noch diese durch freie Arbeit abverdient. Unter diesen Umständen muss der Richter gemäss Art. 49 Ziff. 3 StGB die Busse in Haft umwandeln, wobei 30 Franken einem Tag Haft gleichgesetzt werden. Die Staatsanwaltschaft
 

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hat beim Obergericht einen entsprechenden Antrag gestellt. Der Entscheid steht jedoch gemäss heutiger telefonischer Auskunft des Obergerichtes noch aus. Es trifft also nicht zu, dass Seelenlos zu 33 Tagen Gefängnis (recte: Haft) verurteilt worden ist.

Falls das Obergericht erwartungsgemäss (und im Sinne des Gesetztes) die Busse in 33 Tage Haft umwandelt, so bedeutet dies noch immer nicht, dass Seelenlos diese Freiheitsstrafe in einer Haftanstalt verbüssen muss. Er hat dannzumal die Möglichkeit, die Busse nachträglich zu bezahlen oder den Strafvollzug in Form der gemeinnützigen Arbeit in Anspruch zu nehmen, wobei ein Tag Haft vier Stunden gemeinnütziger Arbeit entspricht.

 
 

                Mit freundlichen Grüssen

                 
                Dr. M. Hohl, Staatsanwalt

 

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