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Zürich, den 24. Januar 1995
 
Liebe Freundinnen und Freunde des schlechten Geschmacks
The show must go on!

 Wie der 7. Staatsanwalt des Kantons Zürich, Markus Hohl, gegenüber der Jugendzeitschrift TOASTER auf Anfrage bestätigte, wird er gegen den Freispruch des Untergrund Videos BLUTGEIL "vorsorglich Berufung einlegen".

 Die 4 zuvor vom Bezirksgericht freigesprochenen MacherInnen werden möglicherweise weiterhin kriminalisiert - und die umstrittene Ketchup-Komödie zumindest hierzulande auch in Zukunft nur hinter verschlossenen Türen und von Amtes wegen legal zu "geniessen" sein.

 Kleine Schweiz, kleines Denken

 Im benachbarten Ausland hingegen ist das "Skandal-Video aus Zürich" problemlos erhältlich - beispielsweise auf JUNG & MUTIERT, einer Kurzfilmzusammenstellung, auf der neben BLUTGEIL auch am Festival des phantastischen Films München '93 gezeigte Werke vertreten sind. Anfang Januar lief BLUTGEIL offiziell im Rahmen des 8. STUTTGARTER FILMWINTER. Kulturschaffende und JournalistInnen aus ganz Europa und auch aus Übersee haben den "Fall BLUTGEIL" mit Betroffenheit und Empörung zur Kenntnis genommen.

Realsatire zum Zweiten...?

 Bislang haben die Zürcher Behörden für die slapstickartige Verfolgung von BLUTGEIL schon über 150'000.- Schweizer Fränkli verpulvert und sich dabei ein paar Glanzstücke geleistet, die in mehr als peinlicher Art und Weise an einige Geschmacklosigkeiten aus BLUTGEIL erinnern. Sollte diese ganze Posse nun dank der Staatsanwaltschaft vor Obergericht zu einer unverhofften Fortsetzung kommen, so bleibt zu hoffen, dass auch mit den dann für den "Fall BLUTGEIL" zusätzlich freiwerdenden sagen wir mal weiteren 100'000.- Fränkli aus der Staatskasse wenigstens erneut ein paar Wogen dröhnenden Gelächters bis an die Nordsee und noch darüberhinaus erschallen werden, so dass diese Gelder wenigstens mit einem sinnvollen Nebeneffekt verpuffen - im Gegensatz etwa zu den Steuermillionen, die demnächst im "Fall LETTEN" in den Sand gesetzt werden...

 "Wenigstens Äktschen",

 kommentiert einer der vom Bezirksgericht freigesprochenen Angeklagten diese neuerliche Wende im nun schon 14 Monate andauernden Ringen um Meinungsfreiheit vs Zensur.

"Ach was, gönnt doch dem Herrn Staatsanwalt seinen gemütlichen Filmnachmittag mit einem Leckerbissen in Sachen schlechter Geschmack!", meint ein anderer.

 In einem sind sie sich jedoch alle einig: "Im Falle einer Verurteilung von BLUTGEIL würde die Schweiz in die Geschichte eingehen als dasjenige Land Europas, in dem mensch als unabhängiger Künstler die Wahl hat zwischen Gefängnis, bewaffnetem Widerstand oder Exil."

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