c/o Flughafengefängnis, Abt. Strafvollzug, Postfach, 8058 Zürich-Flughafen
6. April 2000
Gutt Dag Danke fürr Post. Na, find ich aber Klasse, dass meine Briefe inkl. Anwaltspost mal so locker zuerst 2 bzw 5 volle Tage hier im Hause liegen bleiben, eh sie schliesslich doch noch den Weg zur Post finden. Bin ich ja schon mal gespannt, ob die Herren wenigstens eine neue Ausrede auf Lager haben. Schätze mal, der ehrenwerte Herr Briefzensor (Anm: siehe auch § 59. Verordnung über Bezirksgefängnisse) hatte womöglich was am Inhalt zu mäkeln. Mal gucken, was er hierzu meint. (Und? Was meinen Sie?) [Lass mich wissen, falls sowas wieder vorkommt. Immer, wenn das Stempeldatum mehr als 1 Tag älter ist als das aufm Brief und du ihn nicht 2 Tage nach Briefdatum hast, ist was oberfaul.] Glaub ich hatte da schon gestern sowas angedeutet, doch nach bald 3 Wochen hier braucht man kein grosser Prophet zu sein um auch für die nächsten 10 Jahre voraussagen zu können: Kein Wocheneinkauf ohne Beschiss. Diesmal das Salz ohne Vorwarnung oder Begründung von 3 kg auf 500 g zusammengestrichen. Soviel zum Thema: Besser trainieren dank schwereren PET-Flaschen. Und auch für die Ausrede braucht's wohl keine spezielle Begabung: War nicht böse gemeint. Zumindest hab ich's vom letzten Mal her noch so im Ohr und durch übermässige Originalität zeichnet sich in der Regel ja weder die hiesige Führung noch ihre Schergen aus. Konnt heut im Spiegel feststellen, dass ich nun auch schon die klassischen Sonderknast-rosa-Umrandungen um die Augenlider hab. Weiss nun auch, woran mensch Neulinge hier auf den 1. Blick erkennt: Sie sehn noch gesund aus. Gestern durfte ich übrigens zum ersten Mal einen Abtransport in den Bunker zumindest akustisch miterleben. "Natürlich" ein weiterer klarer Fall von purer Schikane, wer was anderes erwartet hat, ist noch naiver als ich. Und zwar ging das so: Stichwort "Privates Telefongespräch", scheints ordnungsgemäss 3 Tage zuvor angemeldet auf 11 Uhr 20 nach Rückkehr vom Hofgang. Dummerweise hatte sich der Betreffende aber 2 Tage vorher unbeliebt gemacht, indem er mit der Arbeit aufhörte, da es sich seiner Ansicht nach nicht lohnte, für einen eh schon miesen Lohn im Akkord mit 2 Kollegen zusammenzuarbeiten, welche dauernd trödelten, wobei dann die Kohle entsprechend "gemeinsam" erbrachter Leistung durch 3 geteilt wird. Gestern wurde ihm dann "freundlich" mitgeteilt, entweder Hofgang oder Telefonanruf um 11 Uhr 20 (Hofgang endet 11 Uhr 10, wie schon bemerkt quasi einzige Trainigsmöglichkeit.) Aber er könne ja vielleicht dann nachmittags um 3 Uhr telefonieren. Die Eltern des Betreffenden, die er anrufen wollte, haben kein eigenes Telefon und müssen scheints jedesmal zuerst einen 20 minütigen Fussmarsch zur nächsten Post unternehmen, aber da kann die Anstalt ja nix für, gelle. Nachdem er sich schon auf dem Weg zum Hof etwas provozieren liess und laut wurde, kam dann nachher noch der Stockchef und erklärte ihm freundlich, nach 11 Uhr dürfe sowieso nicht mehr telefoniert werden. Ist ja auch bloss n dummes Albanerschwein und kann nicht nachlesen, dass derlei weder in der Hausordnung, noch sonstwo steht (und auch nicht Praxis ist, ausser eben siehe Satzanfang). Darauf wurde er dann noch lauter und schubste den Stockchef zu guter letzt einmal kurz, worauf dieser wohl nur gewartet hatte. Und das war's dann. Hab ich ja noch n Honigleben
als Angehöriger der Herrenrasse. Zumindest bin ich noch nicht
19 Monate hier und hab ne Freundin draussen, die mir am einen
Tag Liebesgedichte schreibt und am nächsten Scheisse zu
fressen gibt. ("Blume und Messer", wie die albanische
Entsprechung zu "Zuckerbrot und Peitsche" heisst.)
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