Seelenlos, Zelle 221A      
    c/o Flughafengefängnis, Abt. Strafvollzug, Postfach, 8058 Zürich-Flughafen     
       10. April 2000 
  
Zdravo  
(Serbokroatisch: Hallo)   

Es geschehen noch Zeichen und Wunder! Sprich ich schaff mittlerweile sogar 2 x 6 Minuten Asphalt-Joggen und auch mit Klimmzügen usw kann ich langsam wieder bei meinen Vor-Eintrittsleistungen anknüpfen. Und dabei schon ne Woche keinen Muskelkater mehr gehabt, plus Bauchweh auch so gut wie weg. (Ausser gestern, da hätt ich das ganze Mittagessen wohl besser gleich direkt das Klo runtergespült, statt nur die 2. Hälfte stehn zu lassen). Was man sich doch rein psychisch alles so einbilden kann bei täglich zusätzlichen 20 g Müsli, 45 g Sojaflocken, 500 g Joghurt und 3 bis 4 rohen Eiern sowie Äpfeln und Bananen.   

Ach ja, und von wegen "Kein Wocheneinkauf ohne Beschiss", Salz zusammengestrichen und so, bzw meine Beschwerde deswegen: Bereits um 08:35 steht heut der Stockchef in meinem bescheidenen Heim, hat meine neue Einkaufsliste vom Samstag da (obwohl die Beschwerde vom Freitag war) und will mich für dumm verkaufen. Als dies nicht verfängt, weil ich ihm die richtige Quittung präsentiere, versucht er's als nächstes damit, ich hätte zu spät reklamiert, wenn ich's donnerstags getan (noch bevor ich die Quittung gehabt), hätte man noch nachliefern können, doch nun sei's zu spät. (Schätz ihr könnt euch alle denken, was er mir am Donnerstag ohne Quittung erzählt hätt. Oder er wäre nächstes Jahr noch am "abklären".) Doch natürlich sei's nicht bös gemeint (Wusst ich's doch!!), der betreffende Beamte habe wohl (vermutlich rein zufällig) den Betrag falsch zusammengezählt und deshalb irrtümlich gestrichen, "Wo Menschen arbeiten, gibt's halt Fehler", doch er entschuldige sich ja dafür, und ich könne auch nächsten Donnerstag mein Salz kriegen.   

Eigentlich hätt ich ja darauf nicht übel Lust gehabt auch einen Fehler zu machen, sagen wir erstmal unter die Gürtellinie, und wenn er dann zusammenknickt noch das Nasenbein, doch da ich im Gegensatz zu den anderen armen "Albanerschweinen" hier ziemlich gut Deutsch kann und allenfalls auch gern und viel Beschwerden schreibe, in so nem Fall mit Vergnügen auch durch sämtliche Instanzen, schluck ich's runter und meine bloss, seine Entschuldigung genüge mir leider nicht. Worauf er einen Moment schweigt und mich dann anherrscht: "MÜSSEN  wir jetzt etwa noch Salz nachliefern?!"   

Leider bin ich darauf schon wieder zu sehr am Schlucken um schlagfertig zu entgegnen "Nein, nein, durchaus nicht, Sie können's auch nicht tun und stattdessen mal ruhig abwarten, was dann geschieht", doch er liest's mir auch so von den Augen ab, plötzlich ist's doch nicht mehr zu spät und er willigt zähneknirschend ein. Natürlich  schafft er's darauf nicht aus meiner Zelle rauszugehn ohne mich vorher nochmal tüchtig anzumachen, als hätt ich obendrein noch ne Kiste Champagner als Zugabe verlangt. Dabei hatt ich mich bloss erdreistet zum Besten zu geben umgehende Nachlieferung wär ja wohl das mindeste. Lang und schlecht bzw kurz und gut, 4 Stunden später krieg ich mit nur 4 Tagen Verspätung mein Salz frei Zelle. Der Typ gegenüber, der letzte Woche für quasi dasselbe in den Bunker durfte, glaubt's mir erst als ich ihm die Schachteln zeige  

Sch(w)eizer müsste man halt sein, oder zumindest gut Deutsch und Beschwerden schreiben können. Und auch wenn diese hier übliche Form von Rassismus eigentlich "nur" eine indirekte ist, so kommt's schlussendlich faktisch doch aufs selbe raus. Sprich Stockchef bleibt Stockchef und Schwein bleibt Schwein (was nun ein jeder verstehen mag wie er will).   

Doch wie schon der andre Kollega meinte: Wenn du beispielsweise in Jugoslawien im Knast Probleme machst (oder die Spiesse zumindest so das Gefühl haben), kommen paar freundliche Beamte, nehmen dich unauffällig zur Seite und hauen dir gemeinsam freundlich paar in die Fresse. Hier liegt sowas nicht drin, und deshalb machen sie's halt auf die andere Tour. Und drei mal dürft ihr raten, wieso z.B. "Überwachen und Strafen" von Michel Foucault hier in der Gefängnisbibliothek nicht ausgeliehen werden kann, "Archipel GULAG" hingegen schon. (Ok, letzteres auch erst nach 3 Wochen geduldig strampeln. Letztlich übrigens trotzdem n Eigentor.) Aber schliesslich liegt Kloten ja erwiesenermassen nicht in Polen, also soll mir nun erst recht niemand mit diesen Solowezki-Inseln kommen, kapiert?!   

Hiermit bestätige ich, von der Gestapo korrekt und zuvorkommend behandelt worden zu sein. Verbindlichsten Dank und   
   
mit freundlichen Grüssen 

 
 
 
Fortsetzung ...
 

No.  6'666'667
 
 
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