Seelenlos 221 A   
    c/o Flughafengefängnis, Abt. Strafvollzug, Postfach, 8058 Zürich-Flughafen

22. März 2000, ca 16 Uhr  

Tagchen  

War grad beim Arzt. Na ja, das lange Warten hat sich nur bedingt gelohnt. So'n geldgierigen Chemieverteiler würd ich freiwillig höchstens einmal konsultieren. Wenigstens weiss ich jetzt aus kompetentem Mund, dass meine Verdauungsprobleme ausschliesslich psychischer Natur sind. Doch er hätte mir trotzdem sofort und gern ein Verstopfungsmittel verschrieben, der Gute. Auch gut zu wissen, dass ich noch nicht verhungert bin, wenn ich Ende nächster Woche vielleicht mal wässrige Früchte und Chemo-Müesli kaufen kann. Wenigstens sollte ich die Vitamintabletten kriegen können. Mal gucken wie lang das dauert…  

Apropos kaufen: Scheints wird die Hälfte meines Guthabens (von über Fr. 50.-) gesperrt, damit ich nach meiner Entlassung nicht aus Geldnot gleich wieder kriminell werde. Wär also supercool, wenn du für mich irgendwo vorerst mal Fr. 250.- borgen könntest.  

Bitte schick mir die "MENSCHEN"-Texte plus die Songtexte, vor allem "Allein", "Knecht" und "Kriecher". Oder schick mir besser erstmal die 1. Hälfte der "MENSCHEN"-Texte, damit die Herren von der Briefzensur arbeitsmässig nicht überfordert werden.  

Eben wird das Nachtessen geliefert und siehe da, is sogar n Appel bei (natürlich Golden Delicious, gut geschätzt von wegen wässrig, wa?) und n Schuss Zitrone im Tee (Instantpulvertee würd ich schätzen). Muss zugeben, so übel wie am Montag war's zum Glück seither nicht mehr. Kann auf Anfrage auch immer zusätzliches 1/4 kg Brot haben "damit Sie nicht verhungern". Tönt gut.  

Das eigentlich Interessanteste am Arztbesuch war übrigens, dass Herr Dalla Valle (Anm: verantwortlich für Insassen Stafvollzug) ebenfalls anwesend war. Auf dem Weg meinte er, er habe in die Homepage reingeguckt, ob ich das allein gemacht habe. Ich mag Leute, die ihre Arbeit tun.  

Tja, meine einzige Lektüre ist immer noch die Verordnung über die Bezirksgefängnisse, August 1994 Fassung 19.3.93 zu beziehen über die Staatskanzlei, 8090 Zürich und die Hausordnung Flughafengefängnis vom 16.4.99, falls nicht bei der Staatskanzlei, vielleicht über das hiesige Sekretariat. Plus die Verordnung über das Flughafengefängnis 17.12.97, dito. Speziell interessant Hausordnung 19., 20., 33.2, 33.12., sowie Verordnung Bezirksgefängnis 7. § 52 sowie § 74. So von wegen die Kultur ist frei.   

Bis zum nexten                Cheers 

  

PS: Zum Schluss noch n Zitat aus meinem heutigen "Hausbrief" (Mitteilungen / Anmeldungen / Bestellungen etc an die Anstaltsleitung, Verwaltung oder wen auch immer): 

"[...] 3.) Ich habe nunmehr 3 Tage still und "geduldig" auf die Herausgabe bzw. einen verbindlichen Entscheid betreffend meiner Effekten für Selbstbeschäftigung gewartet (besonders Manuskripte, Akten, Bücher, Zeitschriften / Hefte usw). Ich hoffe heute Donnerstag allermindestens einen verbindlichen Bescheid zu erwarten, wann ich spätestens mit einem verbindlichen Entscheid rechnen kann. Ansonsten sehe ich mich genötigt, eine rekursfähige Verfügung samt Rechtsmittelbelehrung zu verlangen und den Instanzenweg zu beschreiten, sowie weitere Möglichkeiten in Erwägung zu ziehen. Für Ihre Bemühungen danke ich Ihnen im Voraus, mit freundlichen Grüssen."  

Stay tuned            Cheers2 
  

Fortsetzung ...
 

No.  6'666'667
 
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