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    Seelenlos, Zelle 221A      
    c/o Flughafengefängnis, Abt. Strafvollzug, Postfach, 8058 Zürich-Flughafen      
       19. April 2000
 Mirsevini ne kampin e denimit!   
(Albanisch: Willkommen im Straflager)  

Ok, wenn alles nach Plan läuft, wär das wohl das letzte Mal von hier gewesen. Schätz die Aussicht auf den Flughafen, die Sonnenaufgänge und sonst noch paar Dinge werd ich bestimmt vermissen. Andre hingegen eher nicht, doch das könnt ihr euch wohl mittlerweile selber ausmalen.   

Freu mich auf alle Fälle schon jetzt, wenn morgen Kraska Rex auftaucht und die Bombe platzen lässt, respektive die 60.- auf den Tisch blättert und mir so zu nem vorzeitigen Abgang verhilft, damit ich wenigstens das Zürich-Date zur Slam.00 Tour doch noch schaff.   

Einer meiner Briefe scheint übrigens irgendwo stecken geblieben oder untergegangen zu sein. Natürlich prompt der, von welchem ich schon werweisste, wie lange Zensor und Ficheure wohl dran knabbern würden.   

Laut Herr Rohner liege die Sache betreffend der Verzögerungen allerdings an der Post und nicht an ihnen, im Gegenteil wär ihre amtliche Post auch davon betroffen  

Ich muss dann immer an die Geschichte denken, wie du u.a. diesen Ficheneintrag hattest, bloss weil du wem im Knast n Demotape schickte, und wenn mir auch nun alle und noch paar mehr sagten, sie hätten keine Stasi-Akten und würden auch nicht andrer Leute Briefe lesen (oder vielleicht lieber die privaten Notizen, Herr Stockchef???) - oder die Leut gar doch notieren, nur weil sie Bücher, Ausstellungen, Konzerte usw machen, geschweige denn die Schnüffelabteilung im Morgengraun die Haustür eintreten lassen, aber nicht doch, nein, wie käm ich da auch drauf?! (Können Sie mir das auch nicht erklären?)  

Doch fairerweise muss ich hier auch anmerken, dass ich's Herrn Rohner auch abnehm, dass meine Beschwerde mit der obligaten stellvertretenden Entschuldigung nach - verblüffenderweise jeweils auch wirklich erfolgter - Abklärung auch für ihn noch nicht ganz vom Tisch ist, zumal auch die diversen Bemerkungen, welche ich seither (auch nach dem gestrigen Schichtwechsel) von praktisch allen Aufsehern nach wie vor täglich zu hören krieg, doch stark dafür sprechen, dass er nicht so schnell locker lässt. Auch der Arztgehilfe läuft plötzlich mit Namensschild rum, und sogar der Stockchef gibt sich plötzlich etwas mehr Mühe.   

(Was zwar nicht heissen muss, dass nicht irgendwann schlussendlich doch Gras über die Sache wächst, sprich Herr Rohner seine Nase wieder ins Büro zurückzieht, sprich früher oder später wieder alles von vorn beginnt, doch unterm Strich muss ich trotzdem zugeben, war doch schon mal etwas, und wenn's theoretisch auch nichts als selbstverständlich ist, hatt ich real doch nicht mehr wirklich damit gerechnet.)  

So halt ich für einmal kurz den Rand und nehm stattdessen das Motto zu Alexander Solschenizyns zweitem Band von "Der Archipel GULAG":  

Die Linie, die Gut und Böse trennt, verläuft  
nicht zwischen Klassen und zwischen Parteien,  
sondern quer durch jedes Menschenherz.  
Diese Linie ist beweglich, sie schwankt im Laufe  
der Jahre. Selbst in einem vom Bösen besetzten  
Herzen hält sich ein Brückenkopf des Guten.  
Selbst im gütigste Herzen - ein uneinnehmbarer  
Schlupfwinkel des Bösen.  

Alle Schriftsteller, die über das Gefängnis  
schrieben, ohne darin gesessen zu haben, hielten  
es für ihre Pflicht, Mitgefühl für die Gefangenen   
zu bekunden und das Gefängnis zu verdammen.  
Ich habe dort lang genug gesessen, ich habe dort  
meine Seele grossgezogen. Ich wiederhole unbeirrt:  
Sei gesegnet, Gefängnis, dass du in meinem  
Leben gewesen bist!  
(Und aus den Gräbern tönt mir die Antwort:  
Du hast leicht reden, du bist am Leben geblieben!)  
   
Hoff mal, der letzte Satz kommt bei mir nicht vom Zahnfleisch, sprich es wächst mal wieder nach. Ansonsten, was soll man dazu weiter sagen, ausser vielleicht von der darauffolgenden Seite:  

Auch ein Schluck genügt, um zu wissen, wie das Meer schmeckt.  

Bis zum nächsten (Endsieg, na was n sonst?!)  

Cheers 
 

 
 
 
Fortsetzung ...
 

No.  6'666'667
 
 
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