Seelenlos 22/A    
c/o Flughafengefängnis, Abt. Strafvollzug, Postfach, 8058 Zürich-Flughafen   
   

danke, dass du doch versucht hattest, mir am Freitag die Kohle einzubezahlen. Ganz schön absolut linker Schweinchentrick, dich damit wieder fortzuschicken. Und ich muss zu meiner Schande gestehen, hat voll funktioniert: Hatt mich schon gefragt, ob du's nicht doch verpennt hast oder wasn los sei, als der Stockchef Montags meinte, er habe nochmals nachgefragt und es sei keine Einzahlung reingekommen, auch nicht mal 20.-, weil das hätt auch schon gereicht für's erste. Verzeih mir, dass ich am Falschen gezweifelt hab. Ich hoff, ich hab meine Lektion gelernt: Vertrau immer auf dich selbst und deine wirklichen Freunde, egal was ein Schliesser sagt.  

Hab mich heut offiziell beschwert, hoff das hält sie wenigsten bissel auf Trab. Zwar n schwacher Trost dafür, dass meine Einkaufsliste gnadenlos zusammengestrichen wurde. Wenn ich's richtig mitgekriegt hab, krieg ich nun noch 1 Liter Orangensaft für die ganze nächste Woche. Hoffe, das wird noch n Nachspiel haben.  

Der Gerechtigkeit halber muss ich anfügen, dass viele Aufseher hier nicht mal bis gar nicht übel sind. Ist halt wie überall: Es gibt Leute, die sind auch fair wenn sie am Drücker sind, und dann gibt's die anderen, und ein bisschen haben wir alle von beiden in uns. Ok, mittlerweile wissen alle (mindestens bis zum nächsten Schichtwechsel): Ein Scheiss, und sie landen auf der Homepage, und Rechtsanwältin Hug klopft ihnen womöglich noch zusätzlich paar auf die Eier. Die einen sind trotzdem herzlich und bei den andern seh ich schon, dass sie sich ziemlich krampfhaft beherrschen müssen. Doch ich schätz die Antipathie beruht auf Gegenseitigkeit. Ich versuch's dann immer von der sportlichen Seite her zu sehen, und notfalls gibt's halt ne rote Karte sprich Beschwerde oder gleich ne ganze Wagenladung von. Hab schon gegen 20, wenn's sein muss.  

Der eine Schliesser bringt übrigens echt laufend MEINE Dialoge aus BLUTGEIL!!! Sogar der richtige Tonfall!! (Und ich dachte immer, wir hätten übertrieben...)  

Schätz hat auch neulich wieder was geraschelt hinter den Kulissen. Denk auch mein Hausarzt hat nochmals was oben draufgegeben. Ist immer komisch, wenn Dinge plötzlich klappen, wo's vorher immer hiess: Gefängnis, Sicherheit, nie und nimmer usw. So auch in Sachen "Dossier medizinische Versorgung im Sonderknast". Doch diesmal spiel ich's nach ihren Regeln:  

Tut mir leid, Redaktionsschluss schon vorbei, und morgen is mein Feiertag. Vielleicht nächste Woche, mal schauen. Tut mir leid, ich bin gerade krank bzw. muss für sonst wen einspringen. Das müssen Sie erst nochmals schriftlich beantragen. Leider hatten Sie während der Arztvisite gerade Besuch, und da wollten wir prinzipiell nicht stören. Wir müssen leider die Formulare schon 2 Tage früher einziehen, damit am Stichtag alles bereit ist. Doch, wir haben Sie nicht vergessen. Geht halt alles streng nach Vorschrift bzw ist aus verwaltungstechnischen Gründen leider nicht möglich. Kommen Sie in einer Woche wieder. Wir tun, was wir können, doch leider können Ihre verfassungsmässigen Rechte aus Sicherheitsgründen nicht gewährleistet werden. Ich könnte Ihnen jedoch ein Beruhigungsmittel verschreiben. Tut mir leid, der Schalter ist geschlossen. Wir ziehen das Essgeschirr ein, wann wir es einziehen. Wenden Sie sich an den Chef, doch der hat leider gerade Sitzung, und morgen ist kein Werktag. Tut mir leid, ich habe mich geirrt. Leider können wir da keine Ausnahme machen. Da bin ich nicht zuständig. Schreiben Sie einen Hausbrief. Meine Herren, es ist Zeit. Sie wissen genau, wann Sie wieder telefonieren können. Ich arbeite nicht den ersten Tag im Knast, und wenn ich sage, der Chef wird das dann in 2 oder 3 Tagen machen, so ist das wohl Begründung genug. Gehen Sie jetzt zurück in Ihre Zelle!  

Stalin lebt!*                     Cheers 
 

  

* (Hat er jetzt die Seiten gewechselt? Hauptsache extrem oder was?)