Seelenlos, Zelle 221A      
    c/o Flughafengefängnis, Abt. Strafvollzug, Postfach, 8058 Zürich-Flughafen     
       12. April 2000 
Dobro dosao u radni lager!   
(Serbokroatisch: Willkommen im Arbeitslager!)    

Kann mir irgendwer sagen, warum ich mich immer so verdammt gut fühle, wenn ich ne Beschwerde verfasst hab? Je fetter desto besser? (Vielleicht der verehrte Herr Zensor? Auch nicht?) (Oder hab ich da doch was von protestantischer Arbeitsethik gehört?) Wie auch immer, soll niemand sagen können, ich wolle mich nur vorm Arbeitszwang drücken. Leiste ich doch nachweislich nebst der bewilligten Selbstbeschäfti- gung, der ich im übrigen eisern täglich nachkomme (sonst kann einem die Bewilligung übrigens auch flugs wieder entzogen werden, vgl § 36 "Arbeitspflicht" - zur Gefängnis-Zwang-"Lohn"- Maloche demnächst mehr!), nun auch noch während meiner Freizeit  freiwillig Überstunden für die Vaterländische Sache! (Wenn das der Stossbrigadenführer wüsste!)  

Heut also zuerst der versprochene Abschluss des Zellenrundgangs (bin schliesslich kein Schliesser, der seine Versprechungen aus "betriebstechnische Gründen" gewohnheitsmässig bricht) unter dem Motto "The green door" (genau wie der Song von den Cramps, die ihn wiederum vom Titel eines Pornofilms geklaut haben).   

In unserm Fall ist die wie bereits vermerkt tannengrüne Tür aus solidem Stahlblech mit ebenfalls soliden zusätzlichen Riegeln oben und unten, ne Türfalle hat sie allerdings nur aussen. Dort kommt oben übrigens n gebogenes gezacktes ca 40 cm langes Metallstück raus, an dem sich die Tür in 10 cm-Abständen stückweise öffnen lässt, wobei der Schliesser nach Bedarf jeweils gleich wieder den oberen Riegel einschnappen lassen kann.   

Auf etwa 1 Meter Höhe die Futterluke, von aussen verschliessbar, vom Format etwas grösser als C-6 quer, darunter innen ne halboffene Karton-Box, die morgens jeweils nach Post, Hauspost gecheckt und allenfalls geleert wird, oben drüber das Kontrollfenster aus Panzerglas, gleich breit wie die Futterluke, doch etwas weniger hoch, von aussen mit ner Klappe verschlossen, die mittels Magnet einrastet. (Abdecken von innen wird disziplinarisch bestraft, vgl. Hausordnung 5.).   

Von aussen kann die Zellenbeleuchtung per Schlüssel übrigens auch unabhängig von Schalter innen eingeschaltet werden, jedoch nicht abgelöscht wie zu Hause bei Papa.   

Das eigentümlichste ist jedoch zweifellos die Futterluke, durch welch 3 x täglich der (mit Drogen versetzte? Oder doch nicht?) (Was meinen Sie?) Folter-Durchfall-Frass frei Zelle gereicht wird, und durch welche danach die leeren Tabletts, logischerweise genau auf die Luke genormt - angeblich nach ner halben Stunde - wieder herausgereicht werden müssen. Speiseresten in der Zelle zurückbehalten laut Hausordnung 8. verboten.)   

Darüberhinaus hat die Futterluke noch eine Vielzahl weiterer inoffizieller Funktionen, vom Wecker am Morgen (Ratsch! Tschak!) über Briefkasten und sonstige Durchreiche bis zum Kommunikationsdurchlass. Denn wenn nicht unbedingt nötig macht kaum ein Schliesser die Türe auf, wenns die Luke auch tut. (Die Sicherheitsgründe, ihr wisst schon. Bei geöffneter Tür könnte ein sorgfältig nach allen Regeln der Kunst provozierter Häftling ja handgreiflich werden. Während sich's da durch die Luke mindestens noch ne halbe Stunde genüsslich weiter piesacken lässt. Bis man ihm befiehlt zwecks Umlegen der Handschellen die Arme durchzureichen. Worauf's dann in den Bunker geht.)   

Doch auch in weniger drastischen Fällen enthüllt die Luke als Kommunikationsort oft verräterisch viel über die Psyche des Schliessers auf der anderen Seite. Oft ist ja in diesem Fall Sichtkontakt zumindest ein Vorteil, wenn nicht Bedingung. Was sich jedoch nicht von selbst ergibt, da die Luke sich ja etwa in Magenhöhe befindet. Und gemäss der natürlichen sozialen Rangordnung ist's bestimmt nie der Spiess, der in die Knie geht 

Da zeigen sich dann die individuellen Unterschiede: Während die einen sich jeweils unverkrampft vornüber beugen und man sich so auf halber Höhe begegnet, ohne dass jemand in die Knie muss, gehn die andern im besten Fall einen halben Schritt zurück und setzen ein überlegenes Grinsen auf, während auf der anderen Seite der Häftling aus der Hocke demütig aufschauen darf.  

Ein einziges Mal hab ich's bisher erlebt, dass wer das Kontrollfenster zusätzlich auftat, so ne Art Mini-Besuchsraum- Scheibe, doch das war die Krankenschwester, und die war wohl neu hier.   

Nächste Woche Donnerstag: Führersgeburtstag! Nicht vergessen! Jubelexekutionsopfer schon mal aussondern und ab in den Bunker  

Bis zum Endsieg!       Cheers
 

 
 
 
Fortsetzung ...
 

No.  6'666'667
 
 
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