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Nieder mit der Demokratie

 

Eine Verteidigungsrede für alle Fälle

von

Edmund Schönenberger

Email

 

 

Wissiflue 1986

 

Für

Natascha

Dana

Nana

Kaja

 

Vorwort

 

Täglich habe ich mit dem Gericht zu tun, wo der Wind der Freiheit, der Demokratie und des Rechts weht. Ich aber sehe die Demokratie nicht, höre die Freiheit nicht, bin Rechtsanwalt und glaube nicht ans Recht.

Wie hält man das aus?

Mit einer Verteidigungsrede für alle Fälle! Sie erspart mir, mich lange mit den Richtern darüber balgen zu müssen, ob nun die Kritik, die ich in meinen Plädoyers zu üben pflege, zur Sache gehöre oder nicht. So reiche ich einfach diese Rede ein und löse im Schatten ihrer niederschmetternden Wirkung meine Klienten sanft aus der obrigkeitlichen Verstrickung.

Und will die Justiz mir selber an den Kragen - voilà meine Verteidigungsrede für alle Fälle.

 

 

Herrscht das Volk?

 

Zum wohl gelungensten Betrug der Menschheitsgeschichte zählt die Vermarktung der westlichen Länder als Volksherrschaften. Im Stil der Coca-Cola-Werbung gackert's Tag für Tag durch alle Medien: "Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat". Es ist höchste Zeit, dem Unfug ein Ende zu setzen.

Betrachten wir das Land, das als eine der ältesten Demokratien der Erde gehandelt wird, die Schweiz. Wir sehen schrumpfendes Land und wir sehen Siedlungen, die aus ihren Nähten platzen. Fünf von hundert Menschen bearbeiten noch die Äcker, die übrigen fristen ihr Dasein in den Städten und Ballungszentren.

War das Volk der Herr dieser Entwicklung?

Nein!

Im Herzen der Schweiz liegt Zürich. Lasst uns durch diese Weltstadt bummeln! Was beobachten wir?

Fabrik drängt sich an Fabrik, Werkstatt an Werkstatt, Bürotrakt an Bürotrakt, Kaufhaus an Kaufhaus, Konsumtempel an Konsumtempel, Strasse an Strasse, Wohnblock an Wohnblock. Rund um die Uhr zirkulieren die Menschen. Zu den Hauptarbeitszeiten ergiessen sich die Massen lawinenartig in die Strassenschluchten. Von der Mietkaserne geht's zum Arbeitsplatz, vom Arbeitsplatz zur Freizeitindustrie und von dort wieder zurück in die Mietkaserne. Ab und zu kauft man sich eine Reise ein, um Europas Strände und dergleichen zu besetzen.

Herrscht das Volk über diesen seinen Alltag?

Nein!

Ich stelle mir Zürich vor über hundert Jahren vor: Dort, wo die Limmat den See verlässt, reihen sich an beiden Seiten des Flusses ein paar Häuser aneinander, unauffällig die einen, herrschaftlich schon damals die andern. Hoch von den Türmen einiger Kirchen hallt der Klang der Glocken nieder. Ihr Ton verbreitet sich über die umliegenden Felder und Auen. Wollishofen im Süden und das nördlich im Glattal gelegene Seebach sind scheinbar verträumte Weiler, deren Bauern höchstens zu den Markttagen die rund zehn Kilometer hin und zurück unter die Füsse nehmen, um den Stadtbewohnern die Früchte ihrer Felder feilzubieten.

Auf halbem Weg nach Seebach liegt Oerlikon, ein damals nicht minder verträumtes Bauernkaff. Heute ist es weltberühmt! Der Name steht für Kanonen. Bauern gibt es dort keine mehr. Was ist geschehen?

Eines Tages stelzt ein Herr über Oerlikons Wiesen. In seinem Kopf steckt ein Plan, den er allein ausgeheckt hat. Eine Volksabstimmung jedenfalls hat nicht stattgefunden. Schnell wird er mit dem zuständigen Bauern handelseinig. Die Wiesen wechseln den Besitzer. Der Herr heuert Arbeiter an, die vorerst Baubaracken erstellen, um alsbald ein grösseres Werk nach seinen Weisungen in Angriff zu nehmen: Eine Fabrik. Weder darüber hat das Volk abgestimmt, noch was und wieviel in dieser Fabrik produziert wird.

Eine Fabrik genügt nicht. Irgendwo muss der Rohstoff aus der Erde gebuddelt und herantransportiert werden, damit im Takt der Maschinen das Endprodukt entstehen kann. Dieses Produkt wiederum gelangt über weitere Transporte in die Verkaufskanäle und von dort zum Abnehmer.

Der Herr hat nun also schon ein Bergwerk, verschiedene Transportunternehmen, eine Fabrik, Verkaufshäuser und selbstverständlich den ganzen, für die Koordination von Produktion und Absatz notwendigen Verwaltungsapparat aus Oerlikons und anderen Wiesen herausgestampft. Für die Arbeiter lässt er in der Umgebung Mietkasernen errichten, Schwamendingen und Affoltern erwachen jäh aus dem Dornröschenschlaf. Und ehe sie sich's versehen, sind auch Wollishofen und Seebach - schwupps - von der Stadt aufgefressen.

Der Herr und einige Gleichgesinnte lassen nicht locker. Ohne Volksbefragung wird die ganze Schweiz in Oerlikons und Schwamendingens verwandelt.

Die Abwässer der Fabriken vergiften die Flüsse, die Kanalisation der Arbeiterquartiere quillt über, die von den Fabrikanten produzierten Vehikel verstopfen die Strassen. Gestank und Lärm verpesten die Umwelt.

Jetzt hagelt's plötzlich Volksabstimmungen. "Wollt Ihr einen Kredit für den Ausbau der Verbindungsstrasse zwischen Schwamendingen und Oerlikon gutheissen?" "Stimmt Ihr dem Bau einer Kläranalage im Glattal zu?" "Wollt Ihr die Kehrrichtverbrennungsanlage an der Aubrücke bei Schwamendingen?" "Befürwortet Ihr die Erstellung eines Autobahnnetzes in der Schweiz?" "Seid Ihr mit dem Bau eines Atomkraftwerkes zur Sicherung der Energieversorgung einverstanden?" "Stimmt Ihr Massnahmen zur Eindämmung der Umweltschäden zu?"

Die Herrschaft des Volkes beginnt.

Es herrscht über die Scheisse!

Nachdem der Herr und seinesgleichen im Alleingang dieses Ungetüm Schweiz, ein hochtechnisiertes, hochindustrialisiertes Gebilde, auf die Beine gestellt haben, ist das Volk gut genug, für die Folgen geradezustehen.

Unaufhörlich hat es die Erde für die "Infrastruktur" - so heisst das Tarnwort - aufzureissen, für die Wasserversorgung, die Energiezufuhr, für die Kommunikationsdrähte, die Fäkalienbeseitigung. Es hat die Strassen- und Schienenwege zu bauen, die das pünktliche Erscheinen der Arbeiter an ihren Einsatzplätzen ermöglichen und auf welchen die gesamte Ware kreuz und quer und zu den Konsumenten geschleust wird. Vergessen wir den Müll nicht, den es auf die Schutt- und Gifthalden zu karren hat.

In den Aufgabenbereich des Volkes fällt das Schulwesen. Es bildet auf eigene Kosten die Heerscharen von Arbeitskräften, all die tausend Chargen aus, die der Herr für seine Unternehmungen braucht. Es befördert seine Korrespondenz und stellt sich selbst die Rechnungen, Mahnungen und Werbeprospekte zu, die er verschicken lässt. Wenn einer nicht zahlen will, hetzt es dem Säumigen den Betreibungsbeamten auf den Hals.

Es bewacht das Eigentum des Herrn und verfolgt rücksichtslos, wer in seine Villen und Paläste eindringt, um an seinem Reichtum teilzunehmen. Es betreibt die Unzahl von Anstalten, in welche jene versenkt werden, die den Gang der Dinge stören und leider nicht über die Begabungen verfügen, den Potentaten entschlossen entgegenzutreten.

Es stellt den Steuervogt, der bei den Hiesigen die Zinsen und Zehnten für den Bau und Unterhalt der "Infrastruktur" eintreibt. Der Herr hat sich "steuermässig" längst in die ausländischen Oasen abgesetzt.

Es zahlt die Renten für die Hinterbliebenen der bei der Arbeit und auf der Strasse Umgekommenen. Es versorgt diejenigen, welche lediglich zu Krüppeln geschlagen worden sind.

Die Unternehmungen des Herrn haben die Familien auseinandergerissen. Die Alten werden verstossen. So hat das Volk denn auch deren Unterhalt zu berappen. Wer trägt die Lasten des Gesundheitswesens? Das Volk! Es ist dafür und für alle anderen Hilfs- und Nebenfunktionen zuständig.

Die Hauptsache, die Unternehmertätigkeit, die den heutigen Lebensrhythmus erzwingt, entscheidet der Herr nach wie vor allein und diskret hinter verschlossenen Türen. Er mag das Gegaffe nicht leiden. Die Kompetenzen des Volkes beschränken sich darauf, vor seiner Tür brav auf die Entscheide zu warten und sie präzise umzusetzen.

Eifrig scheffelt der Herr das Mittel seiner Macht: Geld. Nach den Abermillionen ist er just dabei, die Milliarden zu beigen. Bald werden's Billionen sein. Nicht nur hortet er das Gold der Vergangenheit, nein, er hat auch jeden Quadratmeter Land, die Bodenschätze, alle beweglichen und unbeweglichen Sachen und sämtliche Leistungen in Vermögen verwandelt. Selbst das Wasser hat seinen Preis. Der Luftzoll liegt in der Luft. Seine Macht ist gigantisch.

Die Strategie ist die ewig gleiche: Ein neues Produkt oder eine neue Leistung wird auf den Markt geworfen. Die Werbung preist die Vorteile. Beharrlich werden die Nachteile verschwiegen. Die Massen können der Versuchung nicht widerstehen. Wie Ameisen krabbeln sie in den Einkaufszentren herum. Während vor einem halben Jahrhundert ein paar Dutzend Artikel, die vom Verkaufsgestell noch gereicht wurden, zum Leben genügten, müssen's jetzt Millionen von gewinnträchtigen Lockvögeln sein, die wohlverpackt und aufgemotzt dem Publikum angedreht werden. Sie werden gekauft, konsumiert und als Unrat wieder weggeworfen. Darin besteht der von den Herren diktierte Sinn unserer heutigen Zeit.

Simpel auch die Methode, das Volk zur Arbeit anzutreiben. Ihm wird Wohlstand und ein angenehmes Leben vorgegaukelt und einmal pro Monat ein Trinkgeld in die Hand gedrückt. Im Verlaufe des nächsten Monats wird es ihm jedoch wieder restlos abgeknöpft. Das Spielchen wiederholt sich Monat für Monat, Jahr für Jahr, ein ganzes Leben lang. Nichts dokumentiert den Grad der "Souveränität" des Volkes eindrücklicher, als die einfache Art, mit welcher sich dieser "Souverän" am Gängelband herumführen lässt.

Herrscht das Volk?

Mitnichten!

Es ist keine Demokratie, wenn einige wenige Herren durch ihre alleinigen Entscheide das Leben prägen. Es ist keine Demokratie, wenn ein Volk diesen Wenigen zuzudienen hat und dessen Kompetenzen darauf beschränkt sind, über die Nebensache zu entscheiden.

Einen Lügner und Betrüger schelt' ich jeden, der mir die Schweiz als Demokratie verkaufen will.

Nieder mit ihr!

 

 

Aber das Volk

hat sich diese demokratische Verfassung

doch selbst gegeben!

 

Es ist kein einfaches Unterfangen, einen kapitalen Betrug in Szene zu setzen und es braucht mehr als Übersicht, um nicht hereinzufallen. Hat man das Lügengewebe aber einmal entflechtet, ist es keine Hexerei, den Machenschaften auf die Spur zu kommen.

Wie nun haben die Propagandisten der westlichen "Demokratien" Sand in die Augen des Volkes geschaufelt und Bäume gesetzt, dass es den Wald nicht mehr sieht?

Mit einer List!

Sie haben dem Volk eine weitschweifige Verfassung vorgelegt, in welche ein trojanisches Pferd geschmuggelt worden ist: Die Handels-, Gewerbe- und Eigentumsfreiheit. Offiziell ist sie scheinheilig als eine Freiheit neben all den anderen Freiheiten - Meinungsäusserungsfreiheit, Religionsfreiheit, Versammlungsfreiheit etc. - gerühmt worden. Insgeheim haben aber die Verfassungsschmiede wohl gewusst, dass diese einzige Freiheit alle übrigen Elemente der ansonsten durchaus demokratischen Verfassung glatt aus dem Rennen schlägt. Denn sie - und nur sie - hielten schon damals die Macht (Geld, Produktionsstätten, Handelsbeziehungen etc.) fest in ihren Händen. Von den Habenichtsen - dem Volk - hatten sie keine Konkurrenz zu erwarten.

Ihre Rechnung ist prompt aufgegangen. Mit ihrer "Freiheit" haben sie frei geschaltet und gewaltet und die Welt auf den Kopf gestülpt.

Die Souveränität der Schweizer zerplatzt wie eine Seifenblase:

Definitionsgemäss kann nämlich als der Souverän nur gelten, wer sämtliche Machtmittel kontrolliert. Das Medium, welches unbestreitbar die Welt regiert und alle antreibt, heisst Geld. Der scharfe Blick in die Verfassung deckt schonungslos auf, dass eben gerade nicht das zum "Souverän" deklarierte Volk die seit Adam und Eva gehorteten und über die jährlich abgepressten Zinsen und Zehnten ins Unvorstellbare gesteigerten Vermögen besitzt, nein, die Verfügungsmacht über die astronomischen Summen bleibt ausdrücklich einer kleinen Schar von Eigentümern vorbehalten.

Nicht nur faktisch, sondern auch von Verfassungs wegen präsentiert sich die Schweiz somit einwandfrei als Diktatur der Reichen, als Musterplutokratie. Ein jämmerliches Volk von Bettlern hütet den Thron, übers Ohr gehauen und geknechtet von den mit dem Reichsschatz durchgebrannten Herren!

"Wollt Ihr ein paar Wenigen, die über alle Mittel verfügen, freie Hand lassen, auch wenn der Einsatz dieser Mittel Euer Leben umkrempelt?" Das wäre die korrekte Frage gewesen, die dem Volk vorzulegen war.

Nur ein Trottel hätte ihr zugestimmt oder einer, der schon zutiefst in Abhängigkeit und Privilegien seines Herrn verstrickt war.

 

Aber das ist doch Demokratie,

wenn das Volk die Möglichkeit hat,

die Verfassung jederzeit

im von ihm gewünschten Sinne zu ändern!

 

Es ist nicht zu bestreiten, dass es in den westlichen Verfassungen von demokratischen Einzelheiten wie zum Beispiel dieser Revisionsmöglichkeit nur so wimmelt. Das ist ja auch der Sand, das sind die Bäume!

Sie vermögen nur den Dummen über den Haken hinwegzutäuschen, der alles wieder über den Haufen wirft.

Stellen wir uns eine Verfassung vor, in welcher die Volkswahl eines alle Macht in sich vereinigenden Königs vorgesehen und ausserdem bestimmt wird, sie könne jederzeit wieder abgeändert werden. Ist das eine Demokratie? Doch wohl nicht; denn es herrscht der allmächtige König! Hier ist eine Monarchie eingerichtet worden.

Wie wir schon gesehen haben, ist das Gewährenlassen einer mit allen Machtmitteln ausgestatteten Minderheit eine Plutokratie [= Diktatur der Reichen]. Das bleibt sie, Revisionsbestimmungen hin oder her.

Die Monarchie wie auch die Plutokratie würden dann zu Demokratien, wenn das Volk durch Verfassungsänderung den König oder die Plutokraten entmachtete und sich nicht nur auf dem Blatt Papier, sondern faktisch die Macht zuschanzte. Ohne das bleibt alles beim Alten.

Die Schweiz hat die Probe aufs Exempel schon hinter sich: Vor einigen Jahren hatte das Volk Gelegenheit, über eine Verfassungsinitiative abzustimmen, wonach ihm die Möglichkeit eingeräumt worden wäre, genau in jenem Bereich, in welchem der Unternehmer sein allumfassendes Regime ausübt, ein klitzekleines bisschen mitzubestimmen. Die Vorlage ist bachab geschickt worden.

Über die Gründe braucht man gar nicht zu rätseln. Ein durch lebenslange Manipulation und Unterdrückung entmündigtes Volk kann die Herrschaft nimmer an sich reissen! Es genügte, dass die Herren drohten, das Chaos werde ausbrechen, wenn man sie nicht mehr gewähren liesse. Und schliesslich: Die Posten waren allesamt bereits verteilt - vom Generaldirektor über all die Chefs bis hinunter zum kleinen Sheriff, der die Macht hat, den Bürger zu demütigen und zusammenzuschlagen, ohne befürchten zu müssen, dass eine Krähe sein Auge aushackt.

Wären die obersten Chargen - via Mitbestimmung - ins Wanken geraten, hätten auch die unteren zu wackeln begonnen. Also galt es nicht nur für die Herren, sondern die ganze Hierarchie, die Rangordnung zu verteidigen.

Die Schweiz dürfte damit eine der klarsten Situationen aufweisen: Eine Revision in Richtung Demokratie hat ausdrücklich nicht stattgefunden. Die Handels-, Gewerbe- und Eigentumsfreiheit beherrschen noch immer das Geschehen. Die Plutokraten haben ihre Macht behauptet.

 

 

Aber das Volk kann doch jene

ins Parlament wählen,

die seine Interessen vertreten!


Auf dieses Argument fällt nur ein Blauäugiger herein. Genauso, wie man einen Hitler durch Volkswahl an die Macht peitschen kann, genauso lässt sich jeder Beliebige in die Parlamentsstühle katapultieren. Wie hat sich doch ein inzwischen begrabener Werbefritz so treffend ausgedrückt: "Gänd mir en Million, und ich mach us emene Hördöpfelsack en Bundesrot!" [="Gebt mir eine Million, und ich mache aus einem Kartoffelsack einen Bundesrat!"]

Geld regiert die Welt! Schon der Dreikäsehoch kann die Hand einer Kioskfrau mit einer Münze bloss ins Kaugummiregal dirigieren. Dass nicht das Volk, sondern die Herren das Geld besitzen, bestreitet niemand.

Nichts einfacheres für sie, als dem Volk ihre Vertrauensleute wie irgend ein anderes Produkt zu verkaufen und sich eine komfortable Mehrheit zu sichern. Sogar die Minderheiten können ihnen noch recht sein; denn sie erwecken den Anschein von Demokratie und obendrein stabilisieren sie.

Ganz abgesehen davon ist das Parlament und überhaupt der Staat bloss für die Hilfsfunktionen zuständig.

 

 

Aber in der Verfassung ist doch

vorgesehen, dass alle ausnahmslos

die gleichen Rechte haben.

Damit hat jeder eine Chance.

Das ist doch Demokratie!

 

Dass ich nicht lache!

Nehmen wir den Herrn X, der eine Milliarde besitzt und den - gleichberechtigten - Herrn Y, der Null hat. Beide fangen nun an zu geschäften. Herr X geht zur Bank und erhält zum Zinssatz von 5 Prozent spielend eine weitere Milliarde Kredit. Er trommelt ein paar Strategen zusammen, die für ihn eine Marktlücke erspähen. Sie bauen die Fabrik und im Handumdrehen schneien die Gewinne herein, die das gesamte Kapital jährlich zu 10 Prozent verzinsen. Er behält die 10 Prozent für seine eigene und die 5 Prozent für die geliehene Milliarde. Die übrigen 5 Prozent liefert er der Bank ab, die damit eine Horde Kleinkreditler fangen wird. Der Kassensturz des Herrn X zeitigt bereits einen Vermögensstand von einer Milliarde und 150 Millionen.

Wenden wir uns dem gutmütigen Herrn Y zu. Auch er fragt bei der Bank nach einem Kredit. Auf Null gibt's Null, erhält er lakonisch zur Antwort. Unverdrossen macht er sich dennoch ans Werk. Mit Müh und Not gelingt ihm nach Jahren ein bescheidener Erfolg. Eine Million nennt er sein eigen. Herr X hat freilich in der gleichen Zeit seine Milliarde verdoppelt und den Kredit zurückgezahlt.

Beide legen sich weiter in die Riemen. Der Geschäftsgang lässt den üblichen Gewinn von 10 Prozent zu. Ende Jahr verfügt Herr X folglich über zwei Milliarden und 200 Millionen. Herr Y hinkt hoffnungslos mit einer Million und 100 Tausendern hinterher. Eine Chance hätte er nur, wenn er noch aggressiver als der X ins Zeug schösse.

Die horrenden materiellen Unterschiede bestanden schon, als die Verfassungen gezimmert wurden. Sie verhindern eine Demokratie.

 

Ja, wollt Ihr denn Zustände

wie in Russland?

 

Der letzte Trumpf des Herrn X! Wenn ich ihn so reden höre, stelle ich ihn mir sofort als in Russland beheimatet vor. Ich bin sicher, dass er sich auch dort unter die Herren gereiht und dem russischen Nörgler den Teufel des Kapitalismus an die Wand gemalt hätte.

Und noch nicht einmal zu Unrecht!

Was bei den Russen an den Pranger gestellt wird, findet sich im Westen fein versteckt und totgeschwiegen in nicht minderer Kadenz. Verbrechen gegen die Menschenrechte jagen sich.

Ich erinnere an die hiesige Kriegsfront in Friedenszeiten, dort, wo die Ordnungshüter und die Ordnungsbrecher aufeinanderprallen. Todesschüsse, Folterungen, bestialische Prügeleien und dergleichen mehr kommen laufend vor. Ich kann dies aus eigener Anschauung berichten und brauche mich gar nicht erst auf den unlängst verstorbenen Strafrechtsprofessor Peter Noll zu berufen, der die Zürcher Strafjustiz mit der faschistischen türkischen Militärjustiz verglichen hat.

Ich erinnere an das tägliche Gemetzel auf der Strasse und an den Arbeitsplätzen. Jeder, der sich an das Steuer eines Autos setzt (das gleiche gilt von demjenigen, welcher ein gefährliches Werk einrichtet), weiss haargenau um die Fehlerhaftigkeit von Mensch und Maschine. Er weiss, dass er und die übrigen Verkehrsteilnehmer unvorsichtig sein werden oder dass ein technischer Defekt auftreten kann. Er weiss zum Beispiel, dass Kinder oder Greise nicht selten völlig unversehens die Fahrbahn überqueren. Jedesmal, wenn er sein gefährliches Vehikel in Bewegung setzt, muss er mit dem Schlimmsten rechnen. Er nimmt es in Kauf. Das ist Eventualvorsatz, der dem Vorsatz gleichgestellt wird. Kommt ein Mensch zutode, so ist das vorsätzliche Tötung.

Man stelle sich die Katastrophe für die Herren Automobilfabrikanten vor, falls ein Richter mit dieser einzig richtigen Elle messen würde! Keiner könnte mehr umherkarren; denn das wäre schon versuchte Tötung und damit strafbar. Das ganze fette Geschäft würde sich in Schall und Rauch auflösen!

Die Richter - selber Automobilisten - pflegen daher lediglich auf fahrlässige Tötung zu erkennen. Die Opfer dürfen auf der Strasse weiter geschlachtet werden und auch die Herren Schwerindustriellen werden frisch fröhlich noch Legionen Todgeweihter unter Vertrag nehmen.

Ich erinnere an die hiesigen psychiatrischen Anstalten. Vor wenigen Jahren habe ich einen Insassen unter energischem Einsatz befreit, welcher dort jahrzehntelang gefangengehalten und täglich mit heimtückischen Nervengiften vollgepumpt worden war. Er hatte ein grausameres Schicksal zu erdulden, als etwa jener prominente Russe, der sein Dasein im weniger inhumanen Exil fristet und den die westliche Propaganda hochspielt, um den Dreck vor der eigenen Tür nicht wischen zu müssen.

Es soll mir ja keiner mehr mit den Russen kommen. Nach über einjährigem Aufenthalt in kommunistischen Ländern möchte ich nicht die Hand zwischen dem Osten und Westen drehen.

Ich habe auch schon - um einen weiteren Bogen zu ziehen - dreiviertel Jahre in Afrika verbracht. Ich kam mir vor, vom Schweizer Regen in die tropische Traufe geraten zu sein. Bei geschärftem Auge finde ich mich hier indessen im Sturzbach wieder!

 

 

Nieder mit dem Rechtsstaat!

 

In meinem Beruf als Anwalt sitze ich Klienten gegenüber und höre mir ihre (zumeist von den Plutokraten verursachten) Probleme an. Häufig gilt es dann, Verbindung mit dem in seinen Streit verwickelten Kontrahenten (in einer Arbeitsstreitigkeit etwa mit einem Subalternen des Fabrikanten) aufzunehmen, um eine Einigung zu erzielen. Scheitern die Verhandlungen, wird die Sache nicht selten vor den Richter gezogen. In Strafprozessen - eines meiner Spezialgebiete - ist bei sogenannten Offizialdelikten das Gefecht im Gerichtshaus unausweichlich.

Es wird dort Recht gesprochen - ein nicht minderer Betrug denn der Betrug mit der Demokratie!

Nehmen wir einmal an, ein Herr Einbrecher habe sich Zugang zu den Gemächern des Herrn X zu verschaffen gewusst. Wir haben diesen Herrn schon angetroffen. Sein Vermögen ist inzwischen - unter Berücksichtigung von Zins und Zinseszins sowie eines unverhofften Spekulationsgewinns - auf zweieinhalb Milliarden angeschwollen.

Der Herr Einbrecher bedient sich gerne und trägt bescheidene Zehntausend von dannen. Doch sein Glück währt kurz nur: Mitten aus einem rauschenden Fest unter Freunden in der Knelle zerrt ihn die Polizei weg und setzt ihn hinter Gitter. Um frei zu kommen, gesteht er sofort, sucht mich auf und beauftragt mich mit der Verteidigung.

Durch eine unwahrscheinliche Schlamperei des Anklägers, die in der Folge unentdeckt bleibt, gerät je eine Anklageschrift samt den Aktenkopien an zwei verschiedene Gerichte, wovon sich eines - das Schwein meines Klienten setzt sich fort - aus drei linken Poch-, das andere aus drei rechten SVP-Richtern zusammensetzt.

Etwas verwundert nehmen wir bald darauf die beiden hereinflatternden Vorladungen für die Hauptverhandlungen entgegen, forschen nach, entdecken das Versehen und schweigen still.

Zu den getrennten, kurz aufeinanderfolgenden Terminen finden wir uns in den Hallen und Sälen des Gerichts ein. Nach einstudiertem Plan beantragen wir beidemal Freispruch. Als einziges Beweismittel liegt das Geständnis meines Klienten vor, welches er jedesmal mit den gleichen Worten widerruft. Das Urteil werde schriftlich zugestellt, wird uns beschieden.

Mit spitzbübischer Freude dampfen wir ab; denn uns ist jetzt schon sonnenklar, was kommen muss. Die Poch-Richter halten selbstverständlich Herrn X, dessen Geschäftsgebaren sie politisch vehement bekämpfen, für den grössten Gauner und bringen meinem Klienten alle Sympathien entgegen. Für die SVP-Richter hingegen ist dieser der Halunke allein und Herr X ein ehrbarer Bürger. Entsprechend fallen die Urteil aus: Die Linken sprechen frei, der Geständniswiderruf sei glaubwürdig, die Rechten finden schuldig, der Widerruf gelte nicht.

Man muss nicht Tucholsky und seine Additionen der von Deutschen Richtern gegen Rechte und Linke ausgesprochenen Todesurteile nachgelesen haben, um zu wissen, dass - von der Schlamperei abgesehen - meine Annahmen durchaus realistisch sind.

Der Beweis lässt sich mit jeder Sache führen, die - bei absolut gleichbleibendem Sachverhalt - von einer unteren und einer oberen Gerichtsinstanz dennoch verschieden beurteilt wird. Von solchen Fällen wimmelt es.

Sie decken den Betrug auf. Sowohl die Poch- wie die SVP-Richter, die untere wie die obere Instanz haben jedesmal das exakt gleiche Gesetz vor sich. Logischerweise müssten daher bei exakt gleichem Sachverhalt auch gleiche Sprüche den Lippen der Richter entgleiten.

Die Sache gleich, das Recht gleich, die Urteile verschieden ........? - Des Rätsels Lösung liegt auf der Hand. Die Richter sind verschieden!

In keinem einzigen Urteil wird daher "Recht" gesprochen, sondern es kommen lediglich die - willkürlichen - Meinungen der Richter zum Ausdruck. Je mehr sich deren Weltanschauungen und Moralvorstellungen unterscheiden, umso mehr weichen ihre Urteile voneinander ab.

Um dies zu verhindern, finden im Justizwesen rigide Auswahlverfahren statt, die dafür sorgen, dass die Schäfchen beieinander bleiben. Beispiele wie jenes des Deutschen Amtsrichters (ich grüsse Dich!), der stur je die Mindeststrafe verhängte, bis er abgesetzt wurde, machen keine Schule.

Schiebt man das Geflunker über das Recht beiseite, stösst man unweigerlich auf die Macht. Sie bestimmt nicht nur die Justiz, sondern auch die beiden übrigen Staatsgewalten der westlichen Plutokratien. Jedermann kennt das Gerangel im Parlament. Die Poch und Konsorten wollen dies, die SVP und Kompanie das. Da die Herren für die Mehrheit gesorgt haben, setzen sie sich regelmässig durch. Mit Recht hat dies nichts, mit Macht alles zu tun.

Nieder auch mit dem Rechtsstaat!

Suchen wir noch in einer knappen Formulierung die Verbindung zwischen Volk und Staat, so finden wir das Volk, das die Scheisse des Herrn wegputzt und den Staat, der die Putzerei organisiert und das Volk antreibt.

 

 

Das Recht für die Reichen,

die Pflicht für die Naiven

 

Der Herr X ist uns inzwischen so ans Herz gewachsen, dass wir ihn einladen wollen, uns ein bisschen zu begleiten. Mit seinem Vermögen sind wir bereits bekanntgemacht worden. Nebenbei sei's angemerkt: Dieses Jahr stehen 250 Millionen Gewinn zu Buche. Irgend jemand scheint ihm da eine hübsche Stange Geld zu schulden!

Wir werden darauf zurückkommen.

Die Leitung seines Imperiums hat Monsieur X fünf pfiffigen, karrierebewussten Verwaltungsräten und das Präsidium darüber einem hervorragenden, dynamischen, verhandlungsgewandten Altmanager übertragen. Das mit allen nur denkbaren Führungseigenschaften ausgestattete Team schmeisst seinen Laden derart souverän, dass er zu nicht mehr als der jährlichen ordentlichen Generalversammlung zu erscheinen und ausserdem zu überwachen hat, ob die Viertelmilliarde wirklich hereintrudelt.

Sie trudelt.

Unbeschwert kann er über seine Zeit frei verfügen. Er wohnt in einer prachtvollen, palastähnlichen Villa, unternimmt ausgedehnte Reisen rund um die Welt und weiss zu leben - ein echter Bonvivant! Hat er etwas zu bezahlen, zückt er seinen Revolver - pardon! - sein Checkbuch. Die Checks sind allesamt gedeckt.

Langsam sind wir Monsignore X's Gehabe doch ein wenig überdrüssig geworden. Wenden wir uns daher einem Durchschnittsbürger zu. Nennen wir ihn höflich Herrn Z.

Herr Z oder kurz Z wohnt in einer Mietkaserne in Schwamendingen und arbeitet in einer Fabrik in Oerlikon. Die Wohnung von Herrn Z ist mit allem Komfort ausgestattet. Erst kürzlich ist die alte Küche und das Bad herausgerissen und durch das Letzte vom Letzten ersetzt worden. Als er kurz darauf den Pöstler antraf, hatte er sich schon auf einen Liebesbrief gefreut. Leider war es dann aber nur die Mietzinserhöhung.

In die relativ kleine Stube hat er eine imposante Wohnwand gepfercht, dito Polstergruppe, ein TV steht dort, das ist ja selbstverständlich, daneben glitzert's herrlich. Ich kenne mich da nicht so aus, aber das müsste eine Tonstudioanlage sein. Unaufhörlich zischen, flackern und blinken Lämpchen in allen Farben. Aus Respekt vor der Privatsphäre wagen wir es nicht, einen Blick in sein Schlafzimmer zu werfen. Es wird schon recht sein. Dafür inspizieren wir noch kurz die Gemeinschaftsräume, die er mit den Kasernierten teilt: Ein Treppenhaus und die Waschküche.

Herr Z ist halt bei der Planung nicht dabeigewesen.

Da auch die übrigen Renditenobjekte der Überbauung in nichts von seinem Block abweichen, nimmt er das nicht so tragisch. "Ja, ja, die Gleichberechtigung ist schon etwas Gutes", brummt er manchmal vor sich hin.

Am Strassenbord steht sein Auto, das er jeweils samstags liebevoll pflegt. Überflüssig zu sagen, dass er dieses, wie auch den schon erwähnten Hausrat, restlos auf Pump gekauft hat.

Frühmorgens - meist ist er noch mitten in Träumen - dringen aus der Box unversehens Werbespots und allerlei aufgestelltes Geplapper an sein Ohr. "Aha, es ist Zeit", kommt ihm in den Sinn. Ohne Zeremoniell strebt er zügig zum Bus und kann gerade noch rechtzeitig die Stechuhr in Oerlikon bedienen.

Herr Z ist Fliessbandarbeiter. Da die Maschine bereits läuft, braucht er nie eine Anlaufzeit. Er ist sofort voll dabei. Es staubt und lärmt. Aber daran ist er sich gewöhnt. Kantine, Signal, Stechuhr und Bus - die Kaserne hat ihn wieder.

Er unternimmt noch einen kurzen Abstecher zur Post und stellt sich dort in die Schlange, um alle seine Zahlungen zu erledigen. Sein Lohn reicht nicht ganz. "Hoffentlich kommt bald die Weihnachtszulage", denkt er bei sich. Dass die Post das Geld zum X dirigiert, der schon auf die dritte Milliarde lossteuert, merkt er natürlich nicht.

Da ihm trostlos zumute ist, setzt er sich ins Auto, um schnell zum Einkaufszentrum Glatt zu hüpfen. Er kribbelt hierhin, er krabbelt dorthin, statt - wie er eigentlich vorhatte - eine neues Videoband zu kaufen, unterschreibt er einen Abzahlungsvertrag für einen Personalcomputer. Damit könne er die unglaublichsten Sachen machen, hat ihm der Verkäufer versichert. Seine Versuche zuhause, aus dem Ding etwas Gescheites herauszukriegen, schlagen dann allerdings fehl. Er verstaut das Gerät in die Wohnwand, wobei er sich - gemäss Hausordnung - bemüht, seinen Nachbarn hinter der hellhörigen Mauer möglichst wenig zu stören. Für den Rest des Abends hockt er wie ein Kartoffelsack vor der Fernsehkiste. Was anderntags und 49 Wochen jahrein jahraus geschehen, wissen wir. Auch die drei übrigen Wochen sind schon zur Sprache gekommen.

In der Schweiz gibt es ein paar Tausend X und ein paar Millionen Z. Die X vereinigen astronomische Summen auf sich, die jedes Jahr verzinst werden müssen. Es ist Aufgabe der Z, die entsprechenden Abermilliarden den X in die Schlünde zu werfen.

Das ist Irrsinn!

Mit Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat hat das nichts, aber auch gar nichts zu tun.

Nieder mit allem!

 

 

Was tun?

 

Man muss scharf überlegen, um herauszufinden, warum unsere Reichen diesen faulen Zauber mit der Demokratie überhaupt brauchen. Die Geschichte lehrt, dass die Herrschaft nie anders als zwischen dem Tyrann und den Oligarchen hin- und herpendelt. Dem Volk fällt lediglich die Aufgabe zu, mal den einen aus dem Sattel zu stossen, mal die andern auf den Schild zu erheben, um alsbald auch ihnen wieder den Garaus zu machen.

Genau davor haben die heutigen Regenten Angst. Also verstecken sie sich hinter der Lüge, sie seien gar nicht die Herrscher.

Eigentlich sind sie ja strohdumm. Das Versteckspiel bräuchten sie gar nicht. Demokratie ist ein Ding der Unmöglichkeit. Es hat sie noch nie gegeben und es wird sie auch nie geben. Vorher gelänge es, bei einer Hirschherde die Böcke abzuschaffen.

Der Mensch ist seit Urzeiten der gleiche geblieben. Sein Hirn ist nicht gewachsen. Mit der gleichen Wut beschliesst er Krieg, ist sie abgekühlt, heisst's wieder Frieden. Auch wenn sich die Pyramide von Zeit zu Zeit mit Getöse zu wälzen pflegt: Eine Spitze bleibt immer oben!

Dass die Schweiz eine der ältesten Demokratien sei, ist ein Märchen. Schon zur Gründung gab es die Freien und die Unfreien, hielten sich die Stauffachers und Redings Knechte. Die Eidgenossen haben Vögte in alle Himmelsrichtungen verschickt, die Städter die Bauern unterdrückt. Ich habe sieben Jahre lang eine Innerschweizer Landsgemeinde mitverfolgt. Gewählt werden dort nicht Demokraten, sondern Lokalkönige, notabene für die Nebenfunktionen. Auch in den Urkantonen diktieren die freiwaltenden Herren X hinter den Kulissen das Geschehen.

Die Plutokraten bräuchten dem Volk daher nur diese Zusammenhänge einzubläuen und es würde ihnen treuherzig aus der Hand fressen. Alsbald würde sie nichts mehr darin hindern, zu ihrer Plutokratie zu stehen. Ehrlich gesagt ist für mich ein König, der verkündet, "l'état, c'est moi" [frz. "Der Staat bin ich"], weniger abstossend, als die hiesigen Herren, die dem Volk vortäuschen "die oberste Gewalt, das seid Ihr"! Die Feigheit, die da mitwirkt, zeugt nicht von Grösse.

Forscht man nach den Ursachen, warum sich in der Menschheitsgeschichte Krieg und Frieden abwechseln, finden sich immer Überbordungen. Massvolle Herrscher haben nie etwas zu befürchten.

In diesen Zeiten ist unübersehbar, dass wir auf die nächste Katastrophe zusteuern. Die Überbordung, die heute ins Auge sticht, ist die Blödheit des Volkes, den Plutokraten den Zaster in den Arsch zu stecken und die Tollkühnheit der Plutokraten, diesen Zaster in immer neue Unternehmungen zu werfen. Die Spirale dreht sich. Die Tribute des Volkes wachsen ins Unermessliche. Ein kleiner Funke - und schon kracht wieder eine Epoche zusammen. Aussichten, dass die Masslosen zur Besinnung kommen, bestehen regelmässig keine.

Was bleibt einem, der Herr über niemanden, niemandes Knecht, sondern sein eigener Herr ist, der weder zu den Plutokraten noch zum Volk gehört, da übrig? Zuschauen, wie sich das Spektakel entwickelt? Abhauen? Auf die Barrikaden steigen? Sich verkriechen? Auf die Kugel, die Bombe warten?

Sein eigener Herr bleiben!

Wenn wir's überleben, werden wir wissen, ob wir uns weise beraten haben.

 

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www.Psychex.org

24. Dezember 1989

Postfach 129, 8153 Rümlang

Musterbeschwerde

 

  Psychiatrische Gerichtskommission
  Obergericht
  8023 Zürich

In Sachen

 

Hans Meier, Psych. Anstalt, 8462 Rheinau

verteidigt durch uns

gegen

Psych. Anstalt Rheinau

betr. Art. 5 Ziff. 4 EMRK

begründen wir die folgenden Anträge und Rügen mit dem Hauptantrag auf Entlassung:

l. Unsere Klientschaft ist mittels vorsorglicher Verfügung sofort auf freien Fuss zu setzen. Wie im folgenden dargestellt, existiert ein rechtstaatliches Verfahren im Bereich des zivilrechtlichen Freiheitsentzugs nicht. Jeder Zwangsaufenthalt in einer psychiatrischen Anstalt erscheint zusammen mit den heute dort praktizierten Zwangsbehandlungen als widerrechtlich.

2. Art. 5 Ziff. 1 EMRK, Art. 58 BV und Art. 397b Abs. 2 ZGB* sind verletzt worden.

*wesentliche Bestimmungen siehe Anhang

Art. 397b Abs. 2 ZGB räumt den Kantonen die Möglichkeit ein, die Kompetenz zur Einweisung sogenannt psychisch kranker Personen einer "geeigneten Stelle" zu übertragen. Davon hat der Kanton Zürich Gebrauch gemacht und eine Privatperson, nämlich einen Arzt, für die Einweisung und die damit verbundene Festnahme als zuständig erklärt. Indessen leuchtet sofort ein, dass eine Privatperson - auch wenn sie Arzt ist - unmöglich die geeignete Instanz sein kann, wenn man bedenkt, dass die Einschliessung eines Menschen die schärfste Sanktion überhaupt darstellt. Mit der gleichen Logik könnte man jeden Anwalt für die Verhaftung von Straftätern zuständig erklären. Wie beim Strafrecht muss die zivilrechtliche Einschränkung der Freiheit durch einen unabhängigen Richter angeordnet werden. Gründe, warum die psychiatrisch Verfolgten weniger zu schützen seien, als die strafrechtlich Verfolgten, sind keine ersichtlich.

Da die Einweisung durch eine Privatperson jedenfalls ungesetzlich und damit unrechtmässig ist, wird das angerufene Menschenrecht gebrochen.

(Sofern der Betroffene durch seinen behandelnden Arzt oder Hausarzt eingewiesen worden ist, ergibt sich die folgende Ergänzung: Dieser Sachverhalt ist vergleichbar mit jenem eines Straftäters - beispielsweise eines Einbrechers - welcher seinen Anwalt aufsucht, sich in einer Steuerangelegenheit beraten lässt und gleich auch noch seine letzte Einbruchsserie aufs Tapet bringt. Der Anwalt greift zum Telefon, bestellt die Sanität oder die Polizei und lässt seinen Klienten noch nicht einmal zum Ankläger oder Strafrichter, sondern direkt ins Gefängnis abtransportieren! Es ist klar, dass die behandelnden Ärzte - gleich wie Anwälte - strikt ans Berufsgeheimnis gebunden sind.)

3. Die unrechtmässige Festnahme stellt gemäss Art. 183 StGB eine Freiheitsberaubung dar. Nach einem allgemeinen Grundsatz schützt Nichtwissen vor Strafe nicht. Der objektive und subjektive Tatbestand erscheint in der vorliegenden Sache als erfüllt: Ein Arzt (evtl. Hausarzt) liess unsere Klientschaft gegen ihren Willen in die Anstalt einweisen. Diese Einweisung erfolgte vorsätzlich. (Ausserdem verletzte der Arzt mit seiner Aktion das Arztgeheimnis). Die Akten sind daher der Strafuntersuchungsbehörde zur Eröffnung eines Verfahrens zu überweisen. (Zuhanden dieser Behörde wird hiermit auch Strafantrag wegen Verletzung von Art. 321 StGB gestellt.) Die Tatsache, dass sich der Arzt auf Rechtsirrtum berufen wird, ändert nichts an einem Schuldspruch. Der Richter kann höchstens die Strafe nach freiem Ermessen mildern oder von einer Bestrafung Umgang nehmen (Art. 20 StGB).

4. Art. 5 Ziff. 1 lit. e EMRK, Art. 4 BV, Art. 397a und Art. 397f Abs. l ZGB sind verletzt worden.

Nach dem etwas holprigen Text des Art. 5 Ziff. 1 lit. e EMRK "darf einem Menschen (die Freiheit) nur ... entzogen werden, wenn er sich in rechtmässiger Haft befindet, ... weil er geisteskrank ... ist". Aus diesem Text folgt klar, dass eine Geisteskrankheit bereits vor der Verhaftung feststehen muss (im Gegensatz zur U-Haft im Strafrecht, wo der hinreichende Tatverdacht genügt (Art. 5 Ziff. 1 lit. c EMRK)). Jeder psychiatrischen Verhaftung ist daher ein Verfahren vorzuschalten, welches den zwingenden Beweis für eine Geisteskrankheit liefert.

Noch vorher ist allerdings die Frage aufzuwerfen, ja was ist denn das, eine Geisteskrankheit? Wir landen alsogleich mitten im Dschungel! Die Antwort, die noch am einfachsten erscheint, ist jene, dass es so viele bzw. so wenige Geisteskrankheiten wie Köpfe von Psychiatrieärzten gibt.

Es ist hier nicht der Ort, die Frage zu klären, sondern es ist von der herrschenden Realität auszugehen, wonach gewisse Ärzte und mit ihnen gewisse Richter genau angeben können, was eine Geisteskrankheit sei. Damit ist die Schlacht allerdings noch nicht verloren. Immerhin kommen auch die Verfechter der Zwangspsychiatrie nicht an der Tatsache vorbei, dass auf eine Geisteskrankheit erst geschlossen werden kann, wenn das ganz bestimmte Verhalten, die ganz bestimmten Äusserungen, die ihrer Meinung nach die Geisteskrankheit eines Menschen ausmachen, hieb- und stichfest gesichert sind. Das zwingt sie, sehr präzise zu werden! Sie müssen forschen und suchen!

Als Minimalbedingung einer solchen Untersuchung ist das rechtliche Gehör zu nennen, das dem "zukünftigen" Geisteskranken gewährt werden muss. Zu Aussagen kann er allerdings nicht verpflichtet werden, da ihm ein im Menschenrecht auf Meinungsäusserungsfreiheit (Art. 10 EMRK) verankertes Schweigerecht zusteht. Es gilt auch in den weiteren Stadien des Verfahrens. Die Aussageverweigerung darf - gleich wie im Strafrecht - keine Rechtsnachteile nach sich ziehen. Der Betroffene ist auf dieses Recht hinzuweisen. Schlag auf Schlag haben die Einvernahmen der die Einweisung verlangenden Personen zu folgen. Da in der Regel bei den beteiligten Streithähnen Aussage gegen Aussage steht, müssen Dritte ausfindig gemacht und über ihre Beobachtungen und Wahrnehmungen einvernommen werden. Das gilt auch, wenn der Betroffene schweigt. Nach einem anerkannten Grundsatz unserer Rechtsordnung muss mit oder ohne die Mitwirkung des Betroffenen den belastenden und den entlastenden Tatsachen mit gleicher Sorgfalt nachgeforscht werden. Über das rechtliche Gehör und die übrigen Einvernahmen sind Protokolle zu führen. Bei der Einvernahme von Konfliktpartnern und von Drittpersonen hat der Betroffene ein Teilnahmerecht und das Recht, Ergänzungsfragen zu stellen. Die Einvernommenen sind auf die Wahrheitspflicht und die Folgen eines falschen Zeugnisses, des weiteren auf ihre Zeugnisverweigerungsrechte und -pflichten (Wahrung von Amts- und Berufsgeheimnissen!) hinzuweisen. Am Schluss muss das gesamte Untersuchungsergebnis dem Betroffenen zur Stellungnahme unterbreitet werden. Der Untersuchende darf keine Privatperson, sondern muss eine Amtsperson sein. Die Protokolle müssen von einem Protokollführer erstellt werden. Es gelten die üblichen Ausstandsregeln sowie das Verbot des sogen. "Berichtens". Erst jetzt ist die Sache spruchreif. Der oben genannte Haftrichter kann seines Amtes walten.

Im Kanton Zürich existiert weder ein solches Untersuchungsverfahren noch ist es unserer Klientschaft in casu offeriert worden. Da demzufolge der einer Geisteskrankheit zugrunde liegende Sachverhalt beweismässig nicht gesichert ist, kann auch nicht auf eine solche Krankheit geschlossen werden, ergo gibt es auch nichts in die Anstalt einzuweisen. So einfach ist das. Die angerufenen Bestimmungen sind verletzt.

Im nachfolgenden Gerichtsverfahren lassen sich die Mängel nicht mehr beheben. Es ist notorisch, dass die Festnahme eines Menschen schwerwiegende Schockzustände auslösen und ihn in völlige Aufruhr versetzen kann. Nicht zuletzt aus diesem Grund ist der Schutz der Freiheit ja auch in den Katalog der Menschenrechte aufgenommen worden. Die Symptome im Falle ihrer Einschränkung sind - wie ebenfalls notorisch ist - mit jenen, die den Schluss auf eine Geisteskrankheit zulassen, in vieler Hinsicht absolut identisch. Der Richter kann daher beim Verhalten und den Äusserungen, welche er bei der Anhörung des Betroffenen selber wahrnimmt, nicht mehr unterscheiden, ob der Zustand vorbestand oder ob er durch die Einschliessung hervorgerufen worden ist. Das zwingt ihn - wie noch darzustellen sein wird - selber eine gehörige und formgerechte Untersuchung über die Vorgeschichte nachzuholen.

5. Art. 5 Ziff. 2 EMRK, Art. 4 BV und Art. 397e Ziff. 1 ZGB sind verletzt worden.

Unsere Klientschaft ist weder über die Gründe ihrer Festnahme noch über die gegen sie erhobenen Beschuldigungen unterrichtet worden. Gemäss Art. 397e Ziff. 1 ZGB muss die Unterrichtung in einem Entscheid erfolgen.

Ein solcher Entscheid muss sämtliche Tatsachen auflisten. Die Aussagen der verschiedenen Beteiligten und Zeugen müssen gegeneinander abgewogen werden (Beweiswürdigung). Alsbald muss erklärt werden, welche relevanten Tatsachen eine Geisteskrankheit begründen. Da dieser Begriff - wie schon angedeutet - heftigst umstritten ist, sind sämtliche Lehrmeinungen - insbesondere auch die abweichenden! - anzuführen und es ist alsbald festzustellen, welcher man den Vorzug gibt und warum. Diese umfassende Begründungspflicht folgt aus der Schwere des Eingriffs. Sie zwingt nicht nur den Richter, sich selber genaue Rechenschaft über sein Urteil abzulegen, sondern sie versetzt den Betroffenen auch in die Lage, die Gründe nachzuvollziehen, sich von ihnen überzeugen zu lassen oder aber seine Verteidigung und seine Gegenargumente vorzubereiten.

In der vorliegenden Sache kann weder von einer gehörigen Unterrichtung noch einem ebensolchen Entscheid die Rede sein.

6. Art. 5 Ziff. 4 EMRK und Art. 397f Abs. 1 ZGB verpflichten Sie, eher als tunlich über die Rechtmässigkeit der Haft zu entscheiden. Dazu gehört auch die Mitteilung des Entscheids. Je nach Komplexität des Falles haben Sie eine Frist von einer bis zwei Wochen. Darauf werden Sie hiermit aufmerksam gemacht. Ein vorgeschaltetes Verwaltungsverfahren entbindet Sie nicht von der Wahrung der Frist.

7. Art. 5 Ziff. 4, Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 397f Abs. 1 ZGB fordern ein kontradiktorisches Verfahren. Die Kontradiktion gewährleistet die vertiefte Behandlung einer Sache. Wenn nur eine Partei begründen muss, warum sie nicht in die Anstalt gehört, bleibt vieles auf der Strecke. Erst der Widerspruch fordert heraus. Die Anwesenheit einer oder mehrerer Gegenparteien bietet den weiteren Vorteil, dass diese den Widerspruch zur Kenntnis und ihn - falls er sie überzeugt - zum Anlass nehmen können, die Beschuldigungen gemäss Art. 5 Ziff. 2 EMRK zurückzuziehen bzw. den Betroffenen zu entlassen.

In die Parteirolle gehören im Gerichtsverfahren zwingend die Anstalt und jene Personen, welche unsere Klientschaft anschuldigen und ihre Einweisung verlangen. Aus der Abwesenheit einer solchen Partei ist der Verzicht auf Anschuldigung bzw. Zurückbehaltung zu schliessen.

7. Art. 5 Ziff. 4, Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 397f Abs. 1 ZGB werden verletzt, falls Sie keine öffentliche Verhandlung durchführen und das Urteil nicht öffentlich verkünden.

Die Umstände, welche zu einem zivilrechtlichen Freiheitsentzug führen, müssen in jedem einzelnen Fall der öffentlichen Kontrolle zugänglich gemacht werden. Alles andere ist verpönte Geheimjustiz. Dass die gerichtliche Überprüfung die Persönlichkeits- und Intimsphäre der Betroffenen berührt, ist weniger schwerwiegend, als die Machtmissbräuche, die unweigerlich mit einer Geheimjustiz verbunden sind. Die Öffentlichkeit muss gleich wie im Strafprozess gewährleistet sein. Auch dort werden die Umstände der Festnahme und die Sphären der (möglicherweise unschuldigen) Angeklagten öffentlich ausgebreitet.

1988 hat das Bundesgericht die Geheimjustiz im Bereich der Zwangspsychiatrie abgesegnet. Im Sommer 1989 hat es indessen in einem solchen Fall selber eine öffentliche Verhandlung durchgeführt und die Berichterstattung darüber zugelassen (TA vom 14.7.1989).

Ein psychiatrischer Etikettenschwindler fände zum casus, der elegante Bocksprung markiere hübsch den schizoiden Charakter der schweizerischen Recht(s)-sprechung im wörtlichen Sinn der Eigenschaft. Ein Jurisprudenter attestierte dem Bundesgericht Meisterschaft im venire contra factum proprium [lat. "Die Fakten in ihr Gegenteil verkehren"]. Und was meint wohl der weise Volksmund? Die mached sowieso, was s'wänd [Dialekt: "Die machen sowieso, was sie wollen"].

Der Defätismus ist fehl am Platz, wackere Eidgenossen! Die Sache sieht so schitter [schlimm] nicht aus. Jedes Herrschaftssystem rinnt wie eine Zaine. Man muss nur die Rinnen kennen. PSYCHEX (vom südländischen use us de Psychi) kennt sie.

8. Art. 5 Ziff. 4, Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 58 BV und Art. 397f Abs. 1 ZGB werden verletzt, indem die Mitglieder der Psychiatrischen Gerichtskommission des Kantons Zürich vom Regierungsrat gewählt worden sind. Dieser ist gleichzeitig (nur schon als Aufsichtsorgan über die Gesundheitsdirektion) oberstes Aufsichtsorgan über die Anstalten. Er berücksichtigt bei der Wahl der Mitglieder jene Personen, welche auch das von ihm kontrollierte Anstaltskonzept stützen. Etwas anderes anzunehmen, ist lebensfremd. Da keine öffentliche Diskussion stattfindet, kann der Regierungsrat seine Günstlinge erküren. Der Verfilzung ist Tür und Tor geöffnet. Eine Hand wäscht die andere, eine Gewalt installiert die andere. Das Prinzip der Gewaltentrennung wird klar verletzt.

Allerdings kann auch bei der Wahl durch das "Volk" von einer Unabhängigkeit der Richter keine Rede sein. Den unabhängigen Richter gibt es nicht! In dieses Amt wird nur gewählt, wer sich einer der herrschenden Parteien angeschlossen und seine Linientreue in Wort und Tat unter Beweis gestellt hat. Allzu kritische Geister haben nicht die geringste Chance, von den Plutokraten portiert zu werden.

9. Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 4, Art. 58 BV und Art. 397f Abs. 1 ZGB werden verletzt.

Die Freiheit ist nicht nur ein straf- und verwaltungsrechtlicher, sondern auch ein zivilrechtlicher Anspruch. Folgerichtig ist diese Freiheit auch im Zivilgesetzbuch geregelt worden. Im Falle einer sofortigen Festnahme hat der Betroffene daher nicht bloss Anspruch auf das Haftprüfungsverfahren gemäss Art. 5 Ziff. 4 EMRK, sondern auch noch auf ein solches gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Im Kanton Zürich existiert indessen nur gerade ein einziges Gerichtsverfahren, was die angerufenen Rechte verletzt.

Auch am Postulat der Rechtssicherheit gemessen schneiden die Hüter der herrschenden Ordnung schlecht ab. Die Rechtssicherheit verlangt zwei von einander völlig getrennte Gerichtsverfahren mit voller Kognition jedenfalls dann, wenn - wie hier - das Rechtsgut der persönlichen Freiheit in Frage steht.

Die Möglichkeit der Anrufung des Bundesgerichtes behebt den Mangel nicht. Sie ist auch im Bereich des Zivil- und Strafprozesses vorgesehen. Gleichwohl ist der innerkantonale Instanzenzug eingerichtet. Dem Bundesgericht fehlt als Berufungsinstanz die volle Kognition. Die staatsrechtliche Beschwerde ist lediglich ein ausserordentliches Rechtsmittel. Im übrigen ist es nicht Sache des letzten nationalen Gerichts, in die Lücke zu springen, wenn auf kantonaler Ebene Rechtssicherheit und verfassungsmässiger Richter nicht gewährleistet sind.

10. Art. 5 Ziff. 1 lit. e, der in Art. 6 Ziff. 1 EMRK enthaltene Grundsatz der Fairness und Art. 397a ZGB werden verletzt, sofern im Gerichtsverfahren zur Stützung einer Geisteskrankheit auf das Verhalten und die Äusserungen des Betroffenen nach der Anstaltseinweisung abgestellt wird.

Der Richter muss die beiden Phasen vor und nach der Einweisung streng voneinander trennen. Stellt sich heraus, dass vor der Einweisung keine Gründe vorgelegen haben, welche eine Geisteskrankheit stützen, wohl aber nachher, so sind Einweisung und Aufenthalt selbst der Auslöser einer solchen Krankheit. Die "Therapie" liegt alsbald auf der Hand: Sofortige Entlassung! Das Verbot, den Zustand des Betroffenen nach der Einweisung in das Urteil miteinzubeziehen, liegt in der Unmöglichkeit begründet, die Symptome von Freiheitsentzug und Geisteskrankheit sicher voneinander unterscheiden zu können.

 

11. Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 4 BV und Art. 397f Abs. 1 ZGB werden verletzt.

Fairness, Willkürverbot, Anspruch auf rechtliches Gehör und die Minimalvorschriften des Zivilgesetzbuches verlangen nach einem Verfahren, welches - wie schon erörtert - der gründlichen Erforschung des Sachverhalts unter Wahrung rechtsstaatlich anerkannter Formen dient. Die Nachforschungen sind von Amtes wegen auf allen Stufen des Verfahrens zu tätigen.

Wie schon ausgeführt, ist im Einweisungsverfahren ein solches Verfahren nicht in Ansätzen erkennbar. Das gleiche gilt für die Periode des Anstaltsaufenthaltes. Die Erforschung gerade einer "Geisteskrankheit", wenn es so etwas überhaupt gibt, bedürfte gründlichster Analysen. Es wären durchaus die Regeln einer fortschrittlichen Psychoanalyse bzw. -therapie anzuwenden. Der Aufwand wäre äusserst zeit- und personalintensiv. Wie indessen notorisch ist, fehlen in den schweizerischen psychiatrischen Anstalten sowohl in quantitativer wie qualitativer Hinsicht die Fachkräfte, welche solche Analysen lege artis [lat. "nach den Regeln der Kunst"] durchzuführen vermöchten. Die Anstalten sind Durchlaufstationen von in Ausbildung begriffener Ärzte. Diese sogenannten Assistenten oder gar Kandidaten der Medizin verfügen weder über genügende Berufs- noch Lebenserfahrung. Die Zwangspsychiatrisierung eines Menschen zählt zu einem der schicksalsschwersten Eingriffe. Entsprechend hoch sind die Anforderungen an den für die Unfreiheit unmittelbar Verantwortlichen zu stellen. Lehrlinge haben da nichts zu suchen. Sie können - wie etwa in der Strafuntersuchung die Auditoren - bei der psychiatrischen Untersuchung (Befragungen von Eingewiesenem, Konfliktpartnern und Dritten) dabei sein, zuschauen und zuhören, keinesfalls aber dürfen sie auf eigene Faust den Richter spielen. Die Tatsache, dass in den Anstalten Assistenten selbständig beispielsweise in der Gegend herumtelefonieren, um alsbald ihre (entsprechend ihrem Erfahrungsstand notwendigerweise einseitigen) Befragungsergebnisse in der Krankengeschichte zu notieren, stellt nicht nur einen schweren Form-, sondern - wie noch zu rügen sein wird - einen ebensolchen Behandlungsfehler dar.

Die mit der Zwangspsychiatrie befassten Ärzte pflegen die Unart, nicht Tatsachen, sondern Bewertungen nachzujagen. Auch das ist hier anzuprangern. Sie reden von Drohungen, Selbstmordgedanken, Logorrhöe, Autismen oder gar Phrenien, Manien, Phobien, Depressionen, Paranoia und dergleichen mehr. Vergeblich sucht man in ihren Berichten und Verlautbarungen den genauen Wortlaut der "Drohung", des geäusserten Gedankens, des "Geschwätzes". Schon gar nicht wird der Betroffene zur einer Begründung seiner Äusserungen angehalten; dazu fehlt die Zeit ebenso wie zum genauen Hinhorchen. Und so passiert eben, was ein englischer Psychiater mit dem berühmten Satz, ein Schizophrener höre auf, schizophren zu sein, sobald er sich verstanden fühle, auf den Punkt gebracht hat: Die Zwangspsychiatrisierten werden dank des Unverstandes, welchen man ihnen entgegenbringt, zu Geisteskranken.

Die Einseitigkeit der Zwangspsychiatrie feiert Urständ. Obwohl sie selber predigt, dass nur dort eine Geisteskrankheit relevant werde, wo die Akzeptanz der Konfliktpartner fehle, unterlässt sie es regelmässig, der "Exploration" eben dieser Partner die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken. Was die Gegenparteien des Eingewiesenen verkünden, wird zum Vollwert genommen. Keine Fragezeichen, kein Forschen nach deren Anteil am Konflikt. Das gäbe ja nur Komplikationen und würde das ganze schöne Zwangskonzept über den Haufen werfen. Man braucht - wie im Strafrecht - einen Schuldigen, ein Opfer. Damit das alles nicht so direkt ins Auge sticht, versteckt man das Opfer: Es wird zum "Patienten", ein ach so hilfloses, armes und krankes Geschöpf. Der Anstaltsaufenthalt wird zur Wohltat für ihn. Er darf jetzt im "geschützten Rahmen" einer "Klinik" leben...

Die angerufenen Bestimmungen werden verletzt, weil der Richter regelmässig und tale quale [lat. "sowieso"] auf die Basteleien der Anstalten abstellt. Wenn der Art. 397f Abs. l ZGB ein rasches und einfaches Verfahren vorschreibt, heisst dies nicht, dass jener schludrig sein darf. Die gleiche Formulierung findet sich in Art. 343 OR. Es wäre völlig undenkbar, dass ein Arbeitsrichter sein Urteil mit den von einer Partei - beispielsweise dem Arbeitgeber - verfassten Aktennotizen bepflasterte. Dort wie hier sind die Richter verpflichtet, alles selber abzuklären, wobei sie die prozessualen Formvorschriften zu beobachten haben. Die Raschheit und Einfachheit des Verfahrens bezieht sich auf die sofortige Anhandnahme, die Abkürzung von Fristen, die Zusammenlegung von Haupt- und Beweisverfahren, die Verschonung des Betroffenen vor den üblichen prozessualen Überforderungen etc..

12. Es sind sämtliche Urkunden, die nicht in einer formgerechten Untersuchung zustande gekommen sind, aus den Akten zu entfernen, da ansonsten Art. 5 Ziff. 1 lit. e, Art 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 4 BV und Art. 397 f Abs. 1 ZGB verletzt werden. Dies gilt insbesondere von der sogenannten Krankengeschichte. Sie ist nicht die Geschichte des Betroffenen, sondern derjenigen, welche sich in ihr verewigen. Sie stellen darin lediglich ihre Sicht der Dinge dar. Da der Betroffene bei solchen Schreibarbeiten nicht dabei ist und daher auch nicht sofort wegen falscher Protokollierung remonstrieren kann, entbehren die Aufzeichnungen jeglichen Beweiswertes. Im Gegenteil! Sie fixieren geradezu die Vorurteile. Sofern der Schreiberling einen Vorfall notiert, an welchem er selber beteiligt war, ist die Beschönigung seines eigenen Anteils die Regel, die Fehler werden dem anderen zugeschoben. Etwas anderes anzunehmen, ist lebensfremd. Jeder weitere Schreiberling wird zudem durch die Voreinträge automatisch in die Sicht seines Vorgängers verführt, womit sich die Vorurteile potenzieren. Am Schluss verdichtet sich das Zusammengeschusterte zum fürchterlichen Bild über den Betroffenen: Er ist geisteskrank! Für ein solches Verdikt ist die Krankengeschichte völlig untauglich. Viel mehr als den Schluss, dass der Betroffene in den Köpfen ihrer Verfasser zum Geisteskranken geworden ist, lässt sie nicht zu. Im Jargon der Psychiatrie ausgedrückt handelt es sich um Projektionen.

Die Notizen der Anstalt können auch nicht als Gutachten Eingang in den Prozess finden. Die in Art. 397e Ziff. 5 ZGB genannten Sachverständigen dürfen gerade eben nicht von der Anstalt stammen. Sofern das Anstaltspersonal aus eigener Wahrnehmung über relevante Tatsachen berichten kann, sind diese Personen als Parteivertreter im Prozess einzuvernehmen.

Die Angaben der Hausärzte bzw. der behandelnden Ärzte, welche unsere Klientschaft in die Anstalt eingewiesen oder Auskünfte über sie gegeben haben, unterliegen ebenfalls einem Beweisverwertungsverbot, da das Berufsgeheimnis verletzt wird. Unverwertbar bleiben schliesslich Informationen von Angehörigen, welchen ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht und die nicht darauf hingewiesen worden sind.

13. Es wird beantragt, dass unserer Klientschaft vor der Hauptverhandlung persönlich Einsicht in die vollständigen Akten zu gewähren ist. Sie ist technisch zu organisieren (Versendung der Akten in die Anstalt oder Chauffierung unserer Klientschaft zum Gericht). Die Abweisung des Antrages zieht die Verletzung von Art. 4 BV nach sich.

Die Tatsache, dass lediglich die Richter den Akteninhalt kennen, während der diesen gegenüberstehende Betroffene nie genau weiss, was alles über ihn zusammengetragen worden ist, stellt eine der wohl heimtückischsten Benachteiligungen dar. Durch die Lektüre der Akten vor der Verhandlung weiss der Zwangspsychiatrisierte, was der Richter weiss. Der mit dem alleingepachteten Wissen des Gerichtes verbundene Machtvorteil ist in einem wirklich freiheitlich demokratischen Rechtsstaat unstatthaft.

Nicht wahr?

14. Art. 5 Ziff. 1 EMRK, Art. 4 BV und Art. 397a ZGB sind verletzt.

Selbst wenn eine Geisteskrankheit unserer Klientschaft erstellt wäre, rechtfertigte dies Zwangseinweisung und Anstaltsaufenthalt nicht. Voraussetzung ist eine schwerste, unmittelbare Drittgefährdung. Einen "Geisteskranken", der niemandem etwas zuleide tut, muss man laufen lassen.

Eine Selbstgefährdung zum Anlass einer Einschliessung zu nehmen, ist unzulässig. In der Schweiz sind weder Selbstmord noch Selbstverstümmelung unter Strafe gestellt. Wie in der Schweiz tätige Vereinigungen, namentlich die Exit, beweisen, ist der Selbstmord für jedermann frei. Ein grosser Bruchteil des Volkes wählt denn auch diese Todesart. Eine Praxis, wonach nur die Urteilsfähigen, nicht jedoch die Urteilsunfähigen das Recht darauf besässen, ist absurd und willkürlich. Sie entpuppt sich bei näherer Betrachtung als Vorwand, Macht über eine Minderheit ausüben zu können. Das hat den weiteren (beabsichtigten) Effekt, dass die grosse Masse durch die damit verbundene Demonstration der Macht geschreckt und gefügig gemacht wird.

Andere Selbstgefährdungen sind nicht relevant. So ist beispielsweise jedermann frei, soviel zu rauchen, wie er will, obwohl bekannt ist, dass der Raucher seine Gesundheit gefährdet. Ebenso darf jedermann ein Auto lenken, obwohl er sich der Gefahr aussetzt, zutode zu kommen, verkrüppelt oder verletzt zu werden. Die Liste der tolerierten Selbstgefährdungen liesse sich beliebig erweitern. Da demnach eine Selbstgefährdung bis und mit eigenem Tod im schweizerischen ordre public [frz. "öffentl. Ordnung"] Platz hat, ist kein Fall einer Selbstgefahr vorstellbar, welcher sich nicht auch ein Geisteskranker aussetzen dürfte.

Was die Drittgefährdung anbelangt, ist durch wissenschaftliche Untersuchung belegt, dass die sogenannten Geisteskranken nicht gefährlicher als der Durchschnitt der Bevölkerung sind. Im übrigen ist bei der Abschätzung der Gefahr der gleiche Massstab anzulegen, welcher gesamtgesellschaftlich gilt. Es ist erneut auf das Schädigungspotential der Motorfahrzeuge zu verweisen, die nicht nur dem Führer, sondern jedem Dritten Tod und Verderben bringen können. Gleiches ist über die von den Unternehmern in der Schweiz eingerichteten gefährlichen Arbeitsplätze zu sagen. Auch dort fallen jährlich etwa gleich viele Tote, Verkrüppelte und Verletzte wie im Strassenverkehr an. Zusammen sind es gegen einhunderttausend. Der Gefahren sind sich alle Beteiligten voll bewusst. Jedermann kennt das Schädigungspotential von Mensch mit Maschine. Allgemein ist auch das Wissen, dass Kinder oder Greise völlig unversehens auf die Fahrbahn treten können. Jeder, der sich ans Steuer eines Autos setzt, nimmt dieses Risiko in Kauf. Er handelt damit - in der Sprache der Juristen - eventualvorsätzlich. (Da jedoch praktisch alle durch die Verlockungen der Automobilfabrikanten zu bestandenen bzw. potentiellen Tätern geworden sind, wird der Vorsatz verdrängt und lediglich eine Fahrlässigkeit geltengelassen).

An diesem Sachverhalt gemessen ist die Einschliessung eines Geisteskranken nur dann möglich, wenn er einen Dritten unmittelbar an Leib und Leben schwerstens bedroht. Dabei kommt es auf die von ihm verwendeten Mittel an. Sie müssen geeignet sein, entweder den Tod oder eine Körperverletzung von erheblichem Ausmass herbeizuführen. Einfache Körperverletzungen oder gar Tätlichkeiten genügen nicht. Die Zehntausenden von Körperverletzungen im Strassenverkehr und an gefährlichen Arbeitsplätzen beweisen, dass nach schweizerischem ordre public [frz. "öffentl. Ordnung"] nicht nur die Gefahr von solchen Verletzungen, sondern auch deren Verwirklichung als Normalität akzeptiert wird. Wenn ein sogenannter Geisteskranker einen Menschen tatsächlich verletzt, bietet das Strafrecht mit den dortigen Massnahmemöglichkeiten genügend Handhabe, dagegen einzuschreiten.

Tätlichkeiten sind in der Schweiz - auch wenn man es nicht wahrhaben will - ebenfalls völlig normal. Raufereien gehören zum Alltag. Männer und Frauen schlagen Kinder, in turbulenten Beziehungen (vor solchen Turbulenzen ist niemand gefeit) setzt es Schläge ab. Schon mancher Vater ist von seinem Sohn in die Schranken geprügelt worden.

Einem Geisteskranken das jedermann zugestandene Recht auf Gefährdung eines anderen abzusprechen, ist willkürlich.

Auch hinter dem Konstrukt der Drittgefahr steckt das unehrenhafte Motiv der Machtdemonstration. Dem unter dem Vorwand seiner Gefährlichkeit Eingesperrten soll handfest vor Augen geführt werden, wo de Bartli de Moscht holt [Dialekt, sinngemäss "Wos langgeht"]. Gleichzeitig soll die Sanktion dem übrigen, subordinierten Teil der Bürgerschaft deutlich signalisieren, dass sie gefälligst zu "funktionieren" habe. Was das heisst, weiss jeder: Mitwirkung bei Produktion, Absatz, Konsum und Abfallbeseitigung; sich ausbeuten lassen, um Geld und Macht der heutigen Potentaten zu äufnen. (Dass diese im Gegenzug mit Servilität, Heuchelei, offenem und verstecktem Hass oder dergleichen belohnt werden, ist ihr Problem).

Eine unmittelbare, schwerste Drittgefährdung unserer Klientschaft ist jedenfalls nicht erstellt. Damit ist die Einschliessung ungesetzlich.

15. Art. 5 Ziff. 1 EMRK und Art. 397a ZGB werden verletzt.

Die schweizerischen psychiatrischen Anstalten sind, selbst wenn sie nicht Stätten der Disziplinierung, sondern der Fürsorge wären, mangels genügend Personal nicht in der Lage, einen solchen Auftrag auszuführen. Das Manko ist allgemein anerkannt. Dazu der abgetretene Prof. Ernst im Originalton:

"...als Psychotherapie rechnen wir natürlich nicht nur eine Besprechung, die eine Stunde lang dauert, oder in der Praxis 3/4. Wenn wir das möchten, dann würden wir ein Vielfaches von der Anzahl Ärzte benötigen. Zur Psychotherapie rechnen wir die täglichen Gespräche, die der Arzt mit dem Patienten führt, wenn er auf die Abteilung kommt und mit ihm aktuelle Probleme bespricht. Das meinen wir mit Psychotherapie in einer Klinik. Etwas anderes kann man in der Klinik heute, mit der üblichen Dotierung der Ärzte, nicht verwirklichen" (PGK, Pr.Nr. 89187U, Prot. S. 51).

In einem TA-Leserbrief vom 20.12.1989 hat der nämliche Herr nicht nur einen Personalmangel, sondern auch eine Überfüllung der Anstalten öffentlich zugegeben.

Die Konsequenzen der Misere sind schon dargestellt worden. Mangels Eignung der Anstalten wird jede Einschliessung zu einer ungesetzlichen. Der Bruch des Menschenrechts liegt auf der Hand.

16. Art. 3 EMRK ist verletzt worden.

Unter dem Vorwand der Fürsorge wird in den schweizerischen psychiatrischen Anstalten systematisch gefoltert. Die Insassen werden gezwungen, chemische Präparate einzunehmen. Man spricht von der chemischen Keule. Die Wirkungen der Chemie reichen von Dämmrigkeit, Dösigkeit, Müdigkeit, Antriebs- und Interessenlosigkeit, gefühlsmässiger Indifferenz, Beeinträchtigung der Kreativität, Dämpfung der sexuellen Aktivität, Impotenz, schwerer und schwerster Störungen der Motorik, zahlreicher anderer körperlicher Beschwerden bis hin zu völliger Bewusstlosigkeit und Tod.

Die Verantwortlichen wissen haargenau, dass die Chemie nicht im geringsten zur Lösung des Problems taugt, welches den Eingesperrten gerade plagt (wobei es sich bei den Problemen um nichts anderes handelt, als was jedem Menschen irgendwann einmal in seinem Leben als Sorge auch begegnet). Die Chemie ist da, um die berechtigte Wut, den gerechten Zorn über die Einweisung und die Zwangsbehandlung selbst zu brechen.

Wer sich weigert, die Chemie freiwillig zu schlucken, wird dazu mit allen möglichen Drohungen und anderen Vorkehrungen (Verpulverisierung, Verflüssigung) genötigt. Die Hauptdrohung ist das - wie es im Anstaltsjargon heisst - "Herunterspritzen". Die Hartnäckigen sind durchs Band dieser Prozedur ausgesetzt. Ein Aufgebot von bis zu einem Dutzend Pfleger packen das Opfer, halten es fest oder fesseln es. Dann wird ihm mit einer Injektionsnadel die Chemie in den Körper gepumpt. Da sich die Zwangsszenen zum Teil vor den Augen der übrigen Insassen abspielen, wissen alle, was ihnen im Falle einer Weigerung blüht.

Der Tatbestand der Körperverletzung ist prima vista erfüllt. Die übrigen Methoden stellen eine Nötigung im Sinne des Strafgesetzbuchs dar.

Die genannten Eingriffe zählen zu den schwersten Duldungspflichten eines Bürgers. Entsprechend müssten sie in Gesetzen ausdrücklich erwähnt und ausführlich geregelt sein. Weder im Kanton Zürich noch auf Bundesebene ist ein solches Gesetz zu finden.

Dass Körperverletzungen und Nötigungen ohne gesetzliche Grundlage Folter sind, bedarf keiner weiteren Erörterung.

Die in den Anstalten herrschende Situation zeichnet sich zudem dadurch aus, dass die Entscheide zur Zwangsbehandlung ohne weitere Formalitäten gefällt werden. Insbesondere wird dem Betroffenen vorgängig keine rekursfähige Verfügung samt Begründung und Rechtsmittelbelehrung (wie etwa beim sogenannten Zwang im Zwang im Strafvollzug (zB. Arrest)) ausgehändigt. Das Institut der aufschiebenden Wirkung ist gänzlich unbekannt. Der Entscheid des gerade zuständigen Arztes (häufig eine Privatperson), wird sofort vollzogen.

Damit herrscht im Bereich der Zwangspsychiatrie Rechts- und Vogelfreiheit. Es gilt das ausschliessliche Gutdünken des Arztes. Sein Opfer ist vollkommen machtlos.

Auch das ist unmenschlich.

17. Weil die Körperverletzungen und die Nötigungen Straftatbestände darstellen, ihre Ausübung in amtlicher Funktion erfolgen und damit Amtsmissbräuche sind, müssen die Akten, da auch unsere Klientschaft davon betroffen wurde, der Strafuntersuchungsbehörde übermittelt werden.

18. Der Anspruch auf die Feststellung der Menschenrechtsverletzungen folgt aus Art. 13 EMRK.

19. Art 5 Ziff. 5 EMRK und Art. 429a ZGB gebieten, dass derjenige, welcher zu Unrecht in eine Anstalt eingewiesen, dort zurückgehalten, gefoltert worden ist und den Bruch eines oder mehrerer der in Art. 5 EMRK aufgelisteten Menschenrechte zu erdulden hatte, Anspruch auf Genugtuung und Schadenersatz besitzt.

Dieser Anspruch auf Rehabilitierung ist ein elementarer. Seine Verletzung zieht schwere Störungen des Rechtsfriedens nach sich. Das Gebot der Rehabilitierung erfordert schnelle Gutmachung. Der Verletzte soll nicht Jahr und Tag darauf warten müssen, da dies nur zu einer zusätzlichen Beeinträchtigung seines Zustandes führt. Es versteht sich daher von selbst, dass im Verfahren, in welchem die Freilassung verhandelt wird, sofort auch über die Wiedergutmachung entschieden werden muss, was zwingend aus dem Gebot der Prozessökonomie und in Zürich aus Art. 59 KV folgt. (Das kantonale Haftungsgesetz kommt nicht zum Zuge, weil die Haftung durch Bundesrecht geregelt ist (§ 5 ZHHG)).

Die Prüfung braucht die Raschheit des Verfahrens nicht zu beeinträchtigen, indem die Entlassung in einem Vorentscheid getroffen und sofort vollzogen werden kann. Eine Gegenstandslosigkeit ist - schon angesichts der Feststellungsansprüche gemäss Art. 13 EMRK - unzulässig.

Schaden und Genugtuung sind von Amtes wegen zu bemessen.

20. Gestützt auf Art. 397f Abs. 2 ZGB, evtl. Art. 4 BV wird die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes beantragt. Die Notwendigkeit ergibt sich bereits aus der Vielzahl der Menschenrechtsverletzungen sowie aus allen übrigen Gründen. Die Voraussetzungen der Rechtsverbeiständung sowohl nach Bundes- wie nach Verfassungsrecht sind von Amtes wegen zu prüfen. Unsere Klientschaft hat ein Vorschlagsrecht, welches der beauftragte Verein für sie ausübt:

RA Anna Weber

Bahnhofplatz 1

8001 Zürich

Für den Fall der Abweisung des Antrages auf Verbeiständung (und ausdrücklich nur für diesen Fall) macht der Verein von seinem Substitutionsrecht Gebrauch und setzt neben der Obgenannten noch die folgende Person in die Vollmacht ein:

Heiri Müller

Bellevue 2

8001 Zürich

21. Was die Prozessentschädigung anbelangt, wird der obige Antrag im Falle der Gutheissung gegenstandslos. Die genannte Beiständin ist im Rahmen der Anwaltsgebührenverordnung zu entschädigen. Der Verein macht selber einen Aufwand von xx Stunden für Instruktionen, Korrespondenz und diese Eingabe geltend. Auch dieser Aufwand ist zu entschädigen und zwar zum Ansatz der Rechtsverbeiständung gemäss Art. 397 f Abs. 2 ZGB.

   

RA Edmund Schönenberger

Vollmacht

(zum Inhaltsverzeichnis)

 



 
[«letzte» Beschwerde]

 

Edmund Schönenberger

Rechtsanwalt

Katzenrütistr. 89, 8153 Rümlang, Tel. 01 818 07 33, Fax 818 08 71, PC 80-48332-1

_________________________________________________________________________

1. Januar 1993

Postfach 129, 8153 Rümlang

 

  Bundesgericht
   
  1000 Lausanne

 

Vierfach

In Sachen

 

1. V.T.

BF

2. Edmund Schönenberger

BF 1 vertr. durch mich

gegen

1. Psych. Anstalt Kilchberg

2. Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich

BG

3. Regierungsrat des Kantons Zürich

betr. Art. 5 Ziff. 4 EMRK

 

erheben wir               staatsrechtliche Beschwerde

mit den Anträgen, der Entscheid des BG 3 vom 11.11.1992 sei aufzuheben und meiner Klientin sei die unentgeltliche Rechtspflege samt -beistand zu gewähren, unter Kosten- und Entschädigungsfolge.

 

Begründung:

l. Am Sonntag, den 17.5.1992, drangen der behandelnde Arzt meiner Klientin und zwei Männer in ihre Wohnung ein und zwangen sie, in ein Fahrzeug zu steigen. Sie wurde in die psych. Anstalt Kilchberg verfrachtet und dort genötigt, chemische Substanzen zu schlucken. Am 18.5.1992 wandte sie sich an die Psych. Gerichtskommission des Kantons Zürich (PGK). Am 21.5.1992 erteilte sie mir den Auftrag, sie zu verteidigen und ihre Entschädigungsansprüche zu verfechten (Beilage 2). Am 22.5.1992 konstituierte ich mich unter Vorlage meiner Vollmacht per Fax sowohl bei der PGK als auch bei der Anstalt. Letzterer übermittelte ich zusätzlich eine Erklärung meiner Klientin, wonach sie die Ärzte mir gegenüber vom Berufsgeheimnis entband (Beilagen 3 - 5). Anschliessend verlangte ich beim Direktor der Anstalt telefonisch die Entlassung, welche er noch gleichentags verfügte.

Am 1.6.1992 bat ich die Anstalt mündlich und am 16.6.1992 schriftlich um Zustellung der Akten (Beilage 6). Deren Herausgabe wurde mit der Begründung verweigert, es müsse eine aktualisierte Vollmacht vorgelegt werden (Beilage 7). Im Beschwerdeverfahren schützten Gesundheitsdirektor (Beilage 8) und Regierungsrat diesen Standpunkt. Letzterer funktionierte mich zudem kurzerhand zur Partei um und auferlegte mir die Kosten (Beilage l).

2. Wann ein privatrechtliches Verhältnis zwischen zwei Parteien beendet ist, bestimmen noch immer diese selbst und nicht der Staat. Die Vorinstanzen haben nicht geltend gemacht, die am 21.5.1992 erteilte Vollmacht sei widerrufen worden. Dies ist auch nicht der Fall (Beilage 9).

3. Inhaltlich ist die Vollmacht mit den Betreffnissen "Folter, Freiheit, Entschädigung etc." weit gefasst. Sie legitimiert mich "zu allen Rechtshandlungen eines Generalbevollmächtigten" und zur "Vertretung vor allen Gerichten" und "Verwaltungsbehörden" (Beilage 2). Es versteht sich von selbst und entspricht überdies der Usanz, dass die Akteneinsicht durch eine Anwaltsvollmacht abgedeckt ist.

4. Nach der Entlassung meiner Klientin bleiben ihre auf Art. 13 EMRK gestützten Feststellungsbegehren wegen Verletzung von Art. 3 und 5 EMRK sowie auf Art. 5 Ziff. 5 EMRK und Art. 429a ZGB gestützte Klagen auf Entschädigung offen. Auch dieser Teil des Auftrages ist durch die Vollmacht vom 21.5.1992 prima vista abgedeckt. Von Unklarheit oder einem Anwendungsfall des § 38 Abs. l ZHZPO kann keine Rede sein.

Die Vorinstanzen haben ebenfalls nicht geltend gemacht, Feststellungsbegehren oder Entschädigungsklagen meiner Klientin seien erledigt. Gegenteils war das Aktengesuch als Ouvertüre solcher Vorkehren zu betrachten.

Zwangseinweisung, -aufenthalt und -behandlung stellen sogenannte Verwaltungsakte dar. Die beteiligten Instanzen nehmen staatliche Funktionen wahr. Die dabei anfallenden Akten sind amtliche. Auf diese hat meine Klientin Zugriff.

5. Art. 4 BV garantiert meiner Klientin das Recht auf einen Vertreter und auf Akteneinsicht. Darüber hinaus verbietet er schikanöses Verhalten. Die Vorinstanzen haben die Akteneinsicht bis jetzt verweigert. Trotz gültiger Vollmacht eine neue zu verlangen, stellt eine reine Schikane dar. Ergo ist die Verfassung doppelt gebrochen worden.

6. Art. 6 Ziff. l EMRK garantiert meiner Klientin den Zugang zum Gericht. Selbstverständlich fallen unter diese Garantie sämtliche Vorbereitungshandlungen, soweit der Staat daran beteiligt ist.

Mit der schikanösen Verweigerung der Akteneinsicht behindern die Vorinstanzen die Klagevorbereitungen meiner Klientin. Auch dieses Menschenrecht ist gebrochen worden.

7. Mit dem Kostenentscheid erschlägt der Regierungsrat zwei Fliegen auf eine Klappe. Partei in den Verfahren der Vorinstanzen war meine Klientin (Beilage 10). Offenbar in der Annahme, ich als deren Parteivertreter habe mein Mandat mangelhaft geführt, macht er mich zur Partei und brummt mir die Kosten auf. Damit usurpiert er mein Menschenrecht auf eine Entscheidung durch ein Gericht.

Ist meine Mandatsführung fehlerhaft gewesen und werden deswegen meiner Klientschaft die Kosten eines Verfahrens auferlegt, besitzt sie zivilrechtliche Ansprüche gegen mich. Es geht nun keineswegs an, dass der Regierungsrat über eine plumpe Parteiumbenennung ohne gerichtliches Verfahren, sondern als Verwaltungsbehörde über solche Ansprüche entscheidet. Art. 6 Ziff. l EMRK ist abermals gebrochen worden.

Mit seinem Manöver fegt der Regierungsrat obendrein die gestellten Anträge auf unentgeltliche Prozessführung und -verbeiständung vom Tisch. Nach dieser Rechtsverweigerung ist für ihn die tabula rasa [lat. "der Tisch rein"], für uns das Mass voll.

8. Der Anspruch meiner Klientin auf Unentgeltlichkeit in Ihrem Verfahren begründet sich mit der Verfügung der PGK vom 2.6.1992 (Beilage 11, Ziff. 2).

9. Damit ist die Beschwerde begründet.

[Nieder mit der Justiz!]

10. Ich habe mir schon vor Jahren geschworen, keine Beschwerden mehr nach Strassburg zu schicken, weil ich das Ganze als Betrug betrachte. Von eintausend (registrierten und nicht registrierten) Beschwerden werden nur gerade deren rund drei vom Europ. Gerichtshof gutgeheissen und mit etlichem propagandistischem Aufwand an die grosse Glocke gehängt, so dass männiglich meint, die Menschenrechte würden in Europa gelten. Würden indessen die 997 nichtbehandelten oder abgewiesenen Beschwerden eine nach der andern mit gleichem Tamtam breitgeschlagen, würden dem Volk sehr schnell die Augen aufgehen, wie himmeltraurig es um seine Menschenrechte bestellt ist. In der Schweiz beispielsweise sind im Bereich Straf- und psychiatrischer Verfolgung Zehntausende von Verbrechen gegen die Menschenrechte verübt worden. Nicht nur sind diese Verbrechen triumphal und hartnäckig geleugnet worden, den Verfolgten ist auch nie Genugtuung widerfahren.

11. Die Zeit ist reif, auch Sie [als Schweiz. Bundesgericht] in meinen Schwur miteinzubeziehen. Gelegenheit also, in dieser meiner letzten Beschwerde noch ein wenig mit Ihnen & consortes abzurechnen.

12. Vor über einem Vierteljahrhundert habe ich den Reigen meiner Querelen mit Ihnen eröffnet, weil ich der Ansicht war, die Regelung der Stadt Zürich, von den rund 1000 Taxis nur gerade deren rund 150 auf die besten öffentlichen Standplätze zuzulassen, verstosse gegen das Gleichheitsgebot der schweiz. Bundesverfassung. Sie haben die Beschwerde mit der Behauptung abgeblockt, wenn alle Taxis die öffentlichen Standplätze benützen könnten, käme es zum Kampf. Jahre später wurde allen Taxis ein solches Benutzungsrecht eingeräumt. Der Kampf blieb aus. Ihr Urteil ist an der Geschichte zerplatzt.

13. Vor 22 Jahren wollte ich im Kanton Zürich nach einjährigem Praktikum während und nach meinen juristischen Studien die Anwaltsprüfung ablegen. Meine Anmeldung wurde mit der Begründung abgewiesen, Voraussetzung für die Zulassung sei ein einjähriges Praktikum ausschliesslich nach Studienabschluss. In meiner zweiten Beschwerde an Sie verglich ich die Frage, was mehr gelte, die Praxis während oder nach dem Studium, mit der berühmten Frage, was zuerst komme, das Huhn oder das Ei. In Ihrem Entscheid haben Sie die Frage beantwortet: Es hat Ihnen gefallen, mich bachab zu schicken. Sie haben wohl geahnt, was für ein schwer verdaubarer Brocken da auf Sie zukommt und noch schnell versucht, mir einen Knebel zwischen die Beine zu werfen.

Vergeblich! - ich bin gleichwohl Anwalt geworden.

14. Zwei Jahrzehnte lang amte ich nun schon als Klagemauer Tausender von Menschen. Über eintausend habe ich als KlientInnen angenommen und bei einem Gutteil Einblick in sämtliche Einzelheiten der Fälle gewinnen können. Ich bin zu einem der wohl bestorientierten Männer über die Schattenseiten dieses Landes geworden.

15. Annähernd hundert Mal (wenn nicht darüber) habe ich Fälle meiner Klientele auch vor Ihre Instanz gezogen. Sie haben regelmässig das ewig gleiche Lied heruntergeleiert: Es sei alles rechtens in diesem freiheitlich demokratischen Rechtsstaat.

16. Was die Freiheit wert ist, davon zeugt gerade der vorliegende Kasus. Diese "Rechts"-Ordnung lässt - von Ihnen abgesegnet - zu, dass der Arzt, der doch eigentlich die Geheimnisse wahren müsste, seine eigene Kundschaft an die Zwangspsychiatrie verraten darf.


17. Anfangs des letzten Weltkrieges geboren, habe ich die nachfolgende Periode des Kalten Krieges miterlebt. Die Schweizer haben im Chor des Westens gegen Osten geschrien und dort die Versenkung von Menschen ohne Gerichtsurteil angeprangert. Gleichzeitig haben die Schweizer Abertausende von Menschen ohne Vorführung vor den Richter in Gefängnissen und ohne Gerichtsurteil in psychiatrischen Anstalten verlocht.

18. Der Geist der Scheinheiligkeit trieft noch heute aus allen Poren dieses Landes. Über die Wiedergutmachungen, die zu leisten wären, schweigen alle still.

19. Seit 1981 können die psychiatrisch Verfolgten den Richter anrufen und seit 1992 werden die strafrechtlich Verfolgten zum Teil dem Haftrichter vorgeführt.

Zu allen Epochen der Menschheit ist die Figur des Richters als Hüter von Recht und Gerechtigkeit hochgepäppelt worden. Weil vom Volk gewählt, sei er unabhängig.

Kein Scharfsichtiger fällt darauf herein.

Den unabhängigen Richter gibt es nicht. Richter sind gewöhnliche Sterbliche und sprechen nicht Recht, sondern setzen mit Macht um, was zuvor von andern - mit gleicher Macht - zum Gesetz erhoben worden ist.

20. 1984 habe ich die Verteidigung eines Mannes übernommen, welcher 23 Jahre in psychiatrischen Anstalten eingekerkert und täglich massiv mit chemischen Substanzen vollgestopft worden war. Die PGK und Sie haben die Entlassung abgelehnt. Noch während des Berufungsverfahrens habe ich meinen Klienten mit sechs Journalisten besucht. Eine Woche, nachdem sich der Chefredaktor einer namhaften Zeitschrift mit kritischen Fragen an die Anstalt gewandt hatte, war er frei. Seither befindet er sich in ununterbrochener Freiheit. Wäre es nach Ihnen gegangen, wäre er weiterhin seiner Freiheit beraubt und mit Chemie gefoltert worden. Macht und Einsicht vertragen sich schlecht. In Ihrer Uneinsichtigkeit gingen Sie gar soweit, das nach der Entlassung gestellte Revisionsbegehren abzuschmettern.

Auch der Richter ist kein Garant für die Freiheit.

21. Herrscht das Volk?

Was ich von Helvetiens Musterdemokratie halte, ist in meinem Pamphlet "Nieder mit der Demokratie" nachzulesen (Beilage 12).

Die Schweiz ist eine Musterplutokratie.

22. Gefängnis, psychiatrische und andere Anstalten sind existenzvernichtend. Viele Insassen werden in den Selbstmord getrieben. Die aufgezwungene Chemie führt nicht selten zum Tod.

23. Ich habe die Hinterbliebenen eines harmlosen jungen Algeriers vertreten, welcher von einem Polizisten auf der Flucht erschossen worden ist. Dem Schützen wurde von allen Instanzen - auch von Ihnen - zugebilligt, dass die Flucht allein seinen tödlichen Schuss gerechtfertigt habe.

24. Alle Tötungen, die ins Konzept der Herren passen, werden nicht in Frage gestellt, sondern legitimiert. Todesstrafe abgeschafft, Hinrichtung gestattet.

25. Es existieren keine Statistiken darüber, welche Herrschaftsform der Vergangenheit weltweit am meisten Tote produziert hat. Doch auch ohne solche Statistiken ist heute - noch ehe das [20.] Jahrhundert zu Ende gegangen ist - schon klar, dass es das mit Abstand blutigste gewesen ist.

Der Schweiz nützt nichts, den Unschuldsengel zu mimen: Als eine der eifrigsten hat sie mit ihren Technologien und Waffenindustrien auf praktisch sämtlichen Kriegsschauplätzen dieses Jahrhunderts wacker mitgemischelt. Heute noch hütet sie brav die Blutgelder der Diktatoren. Sie wird mit wenig schmeichelhaften Titeln, als Kriegsprofiteurin und als Hure, ihren zweifelhaften Ruhm besiegeln.

[Gelten die Menschenrechte
in der Schweiz?]

26. Dieses [20.] und wohl auch noch das nächste werden als Jahrhunderte der Demokratie in die Annalen der Geschichte eingehen. Es ist anzunehmen, dass Begriffe wie Freiheit, Demokratie und Menschenrecht im Urteil der Zukunft zum gleichen Schimpfwort verkommen werden, wie die seinerzeit hochgeachtete Inquisition. Zweifellos werden die Völker dannzumal mit nicht minder vertrackten Ordnungen von ihren Herrschern wie eh und je übers Ohr gehauen werden.

27. À propos Menschenrechte.

Von den Direktoren psychiatrischer Anstalten gedungenes Personal jagt seinen Opfern Stromstösse durch den Körper oder fesselt sie und pumpt mittels Injektionsnadeln chemische Flüssigkeiten in die Blutbahnen, welche das Bewusstsein rauben.

Das ist ganz klar Folter.

Wiewohl der Art. 3 der Europ. Menschenrechtskonvention die Folter verbietet und im Gegensatz zu den übrigen Menschenrechten keine gesetzlichen oder sonstigen Ausnahmen zulässt, haben Sie in einem jüngsten Entscheid solche Foltermethoden sanktioniert.

Die tausendfachen Verbrechen gegen das Menschenrecht auf Freiheit (Art. 5 EMRK) sind schon zur Sprache gekommen.

Auch über die Verstösse gegen die weiteren Menschenrechte könnte ich ein Liedlein singen.

Die Proklamation der Menschenrechte ist als Rückschritt zu verzeichnen. Der Mensch ist und bleibt, auch wenn man ihm die edelsten Bestimmungen um die Ohren wedelt, was er schon immer war: homo homini lupus [lat. "Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf"]. Machtgier, Dominationsbedürfnis, Geltungstrieb und das daraus resultierende ewige Gerangel um die Herrschaft garantieren das tägliche Chaos. Die Menschenrechte liegen da völlig quer. Mit der Natur des Menschen haben sie nichts gemein. Sie sind Fiktion bloss, gezündet vom ebenso ewigen Bedürfnis, der Mühsal hienieden zu entrinnen.

Mehr noch. Die durch die Menschenrechte geweckten Hoffnungen verschlimmern die Lage. Schlimm genug nämlich, dass Menschenrechtsverbrechen allgegenwärtig sind. Die kathedrale Verkündung, es sei alles menschenrechtens, ist widerlich, gleicht der Auschwitzlüge: Die Verbrechen werden durch Leugnung gekrönt, die Opfer doppelt getroffen.

Die verbrieften Menschenrechte provozieren geradezu solches Unheil. Mit viel Propaganda hat man die Buchstaben durchgeboxt und sie sich vor allem zu Nutzen gemacht, um mit den Fingern auf die anderen zu zeigen und so von den eigenen Schandtaten abzulenken: "Nein, wir sind nicht so, wie die dort, wir achten die Menschenrechte". Da das Unglück in den eigenen vier Wänden eben halt doch ständig passiert, bleibt die Möglichkeit, dazu zu stehen, schon rein psychologisch versperrt.

Auf solche Weise ist die Schweiz, in welcher sich die Verbrechen gegen die Menschenrechte jagen, zur Bilderbuchlegende emporgejubelt worden.

28. Sie werden einwenden, es sei höchst ungerecht von mir, so gegen dieses Land und seine heiligen Institutionen zu wettern. Gerade mein Beispiel beweise, dass der Rechtsschutz funktioniere, hätten Sie doch - bei generellen Erfolgschancen von 5 - 10 % (Tendenz sinkend) - rund 30 % meiner Beschwerden gutgeheissen und sei meine Ausbeute bei der Menschenrechtskommission und dem Europ. Gerichtshof in Anbetracht der schon genannten Drei- Promille-Chance mit 50 % Zulassungen bzw. 33 % Gutheissungen als geradezu sensationell zu bezeichnen.

29. Das bringt mich auf die Idee, als amtierender Meister unter den Anwaltsgenossen mit dem Rekord an Straf-, Standes- und Ordnungsverfahren ein bisschen aus der Schule zu plaudern.

Kaum hatten sich die Tore des von mir 1975 in Zürich mitbegründeten Anwaltskollektivs geöffnet, brummten uns die hiesigen Anwaltswächter saftige Bussen auf, dito als ich mit anderen Kollegen Hungerstreikerklärungen von Untersuchungshäftlingen der Presse zuspielte.

In wiederum neuer Besetzung verteidigten wir einen Mann und eine Frau, die unter folgendem Regime im Berner Amtshaus einsassen: Eine ganze Etage war geräumt worden. Je am entferntesten Ende zweier Gebäudeflügel wurden die beiden in zwei Hochsicherheitszellen gesteckt. Auch die darunter- und darüberliegenden Zellen waren geleert worden. Jegliche Kommunikation wurde vollkommen unterbrochen. Es gab keine Briefe, keine Besuche, keine Zeitungen, keine Gegenstände, keine Radiotöne, keinen Spaziergang, nichts, nichts, nichts. Dazu lief ununterbrochen eine Fernsehkamera und brannte 24 Stunden lang das Licht. Das Essen und die Exkremente waren der einzige Ein- und Ausgang.

An Pressekonferenzen denunzierten wir diese Totalisolation als Folter. Die Berner entzogen uns sofort das Patent in ihrem Kanton, die Zürcher doppelten mit einem viermonatigen Berufsverbot nach. Die von unseren Klienten erhobene Folterbeschwerde wurde von der zuständigen Kommission für zulässig erklärt, vom Ministerkomitee des Europarats dann aber abgewürgt. Immerhin haben nicht weniger als 5 der 12 Minister unseren Foltervorwurf geteilt.

Anfangs der achtziger Jahre, als die Zürcher Justiz die Maske fallen liess und ihre wahre Fratze zeigte, fuhr ich mit meinem Velo durch eine Einbahnstrasse. Zwei Polizisten schleppten mich deswegen auf die Wache. Als ich mit einer Anzeige wegen Freiheitsberaubung reagierte, konterten die Ordnungshüter Monate später, als sie von meiner Anzeige Kenntnis erhielten, mit der falschen Anschuldigung, ich - unbewaffnet - habe sie - mit je einer Knarre in ihren Halftern - durch schwere Drohung in Angst und Schrecken versetzt. Die Strafuntersuchung gegen die beiden wurde eingestellt, ich schuldig gesprochen. (Ironie des Schicksals: Meine eidg. Nichtigkeitsbeschwerde ist nie behandelt worden, weshalb der Eintrag ins Vorstrafenregister unterblieb! - es scheinen da irgendwelche Heinzelmännchen am Werk zu sein).

Die Liste liesse sich beliebig erweitern. Zeitweise liefen nicht weniger als vier Verfahren parallel gegen mich.

In casu versucht's der Regierungsrat mit einem kleinen, giftigen Mückenstich.

30. Inzwischen bin ich gegen Erfolge und Angriffe gleichermassen immun geworden. Die herrschenden Verhältnisse beurteile ich nicht aufgrund meiner persönlichen Resultate, sondern wie sie allgemein zu beobachten sind. Angriffslustige Büttel bekommen nur noch zu hören, dass es mir scheissegal ist, mit oder ohne Vorstrafen, Titel, Bussen, Vorhaltungen über Gebühr oder dergleichen ins Grab zu steigen. Im Idealfall werde ich den hiesigen Plutokraten samt ihren Ministranten dereinst so viele Schulden hinterlassen, wie sie mir Tribute abgepresst haben.

Kein Gefängnis noch Anstalt kann mich schrecken. Alle meine Besuche zusammengezählt, habe ich mich beruflich wochenlang dort aufgehalten. Ich kenne die Verhältnisse. Sie werden von meinen sieben Jahren, die ich in schärfster Klausur einer innerschweizerischen Erziehungsanstalt bei rigidem Klingelplan und subtilsten Unterweisungen abgeklopft habe, in den Schatten gestellt. (Es hed all's nüt gnützt, ich bin em Tüfel glich ab em Charre gheit).

Den Tod fürchte ich nicht: mors certa, hora incerta [lat. "Der Tod ist gewiss, die Stunde unbekannt"]. Es ist ohnehin verwunderlich, dass ich als Staatsfeind und Velofahrer bis jetzt überlebt habe.

31. Längst habe ich meine eigene Souveränität proklamiert. In meinem Land bin ich Bettler und König, Herr und Knecht, Toll- und Sanftmütiger, Ignorant und Philosoph, Hofnarr und General, Poet und Pfaff, kurz: ein Mensch mit allen Eigenschaften. Mein Staatsgebiet ist von der Grösse einer Fusssohle, ständig wandeln sich die Grenzen meines Reiches. Mit diesen nach Geld stinkenden Eidgenossen pflege ich bilaterale Beziehungen und mische mich in ihre inneren Angelegenheiten ein, wie sie sich in meine.

Dass sie mich in ihren Registern als Nummer führen, ficht mich nicht an. Das einzige, was mich formell noch mit der helvetischen Plutokratie verbindet, ist ein internationaler Steuervertrag. Da ich indessen meine Räson perfektioniert habe, nämlich all diesen angebotenen Schutt und Schund links liegen zu lassen, brauche ich praktisch keine Einnahmen, so dass für die Schweiz gerade noch eine Kopfsteuer in den Säckel fällt. Ausser Spesen also nichts gewesen. Ich fürchte, wenn das so weitergeht, wird sie mir bald einmal auch noch diesen letzten Staatsvertrag aufkünden.

Einen Pass brauche ich nicht. Ich beherrsche die Kunst, mich ohne solchen über die Schlagbäume zu schnorren. Die Wogen des Meeres auch bei grösstem Sturm allein mit einem Segelboot durchpflügend, betrete ich problemlos Europa, Afrika oder, falls es mich gelüstet, jede andere Kruste dieser Erde.

Bekanntlich pflegen alle Herrschaftssysteme wie die Zainen zu rinnen. Vor lauter Rinnen sehe ich schon gar keine Zainen mehr!

32. Es nimmt Sie sicher noch wunder, warum ich das Prozessieren gegen Sie ausgerechnet jetzt an den Nagel hänge.

Gute Frage.

Die Idee der Demokratie als Ausweg aus dem Elend der Vergangenheit ist an sich faszinierend. Dass das Elend trotz demokratischer Verfassungen nicht beseitigt worden ist, stiftet Verwirrung. Wer allerdings den von den Verfassungschmieden inszenierten kapitalen Betrug entdeckt, hat keine Mühe mehr. Neben den vielen demokratischen Elementen haben sie als trojanisches Pferd die herrschende Eigentums-, Handels- und Gewerbeordnung in den Text geschmuggelt. Gegen solche plutokratische mussten die demokratischen Elemente zur Makulatur verkommen.

Wer im Betrug gefangen bleibt, ist dazu verdammt, unentwegt die in die Verfassung verpackte Doktrin der Plutokraten zu hüten.

Ich unterstelle Ihnen nicht, dass Sie selber Plutokraten sind. Kein König nimmt auf einem Ministersessel Platz! Da ich Ihre Vorbildungen bestens kenne, weiss ich, dass die wenigsten von Ihnen die herrschende Ordnung à fonds durchschauen. Die Universitäten schärfen den kritischen Blick nicht. Das Studium ist theorielastig. Praxis während des Studiums ist, wie Ihr oben dargestelltes Urteil in meiner Sache unterstreicht, unerwünscht.

Der Dünkel Ihres Amtes verdirbt, wenn nicht Ihren Charakter, so doch Ihre Optik. Einer Betrachtungsweise, die auf die Aufhebung Ihres Amtes hinausliefe, müssen Sie sich naturgemäss verschliessen.

Wollten Sie demokratiekonform urteilen, wären Sie nur schon rein zahlenmässig überfordert, auf das enorme Ungemach, welches in der Schweiz geschieht, zu reagieren.

Bösgläubig haben Ihnen die Plutokraten eine Ordnung untergebuttert, welche Ihnen den Gegenstand Ihrer "Rechtsprechung", nämlich den Menschen, glatt entzieht. Sie führen reine Aktenprozesse. Ausserdem werden Sie an die Feststellungen unterer Instanzen gebunden. Augenscheine sind wunderselten. Eine ausgeklügelte Zuständigkeitsordnung gestattet Ihnen, die meisten Beschwerdeführer in den Hammer laufen zu lassen.

Es ist sonnenklar, dass die einzig gültige Gerichtsordnung, insbesondere wenn Menschenrechte zur Debatte stehen, nur in der umfassenden und uneingeschränkten Prüfung eines jeden Falles einschliesslich der persönlichen Anhörung der Parteien und der Pflicht, von Amtes wegen alle nur erdenklichen zusätzlichen Abklärungen zu treffen, bestehen kann.

Plutokratiekonform schreien Sie nicht nach einem neuen Organisationsgesetz und so vielen Stellen, wie es für ein anspruchsvolles Richten bräuchte, sondern nach einer Eindämmung der Beschwerdeflut.

Ich hingegen muss treu meiner Staatsverfassung meine Nase in alles hineinstecken, mit den KlientInnen, den Gegnern reden, vor Ort gehen, die Schlingen der gordischen Knoten zurückverfolgen, den Fall vollständig aufrollen. Solcherart bin ich auf die Kehrseite der Medaille und den Betrug gestossen.

Der Umgang mit Ihnen nun wird zu mühsam. Das Juristengeschwätz, welches den Adressaten Ihrer Urteile - dem Volk - als chinesisch erscheint, verdirbt meine Sprache und meine Gedanken. Um die Verständigung knapp noch zu halten, war ich gezwungen, einen Mischmasch meiner und Ihrer Sprüche zu servieren. Das will ich nicht mehr.

Ihre Sprache ist - wie jede Sprache der Macht - arrogant. Dessen sind Sie sich kaum bewusst. Sie generiert - replicando - gleiche Arroganz. So bin ich ebenfalls arrogant geworden. Höchste Zeit auch deswegen, mich abzusetzen. Es genügt mir, frech zu sein.

Nein, ich will nicht mit Ihnen über das Wetter reden, wenn gerade einer meiner Klienten ohne triftigen Grund niedergeknüppelt worden ist und Sie den Schläger decken!

Früher, als die Herren sich noch nicht - wie die heutigen - versteckt, sondern sich als Kaiser, Zar, Vogt und ähnliches Gesindel zu erkennen gegeben haben, musste man sich mit Bittschriften an die Obrigkeit adressieren. Daran hat sich ausser der Umbenennung der Schriften in Beschwerden bis heute nichts geändert. Mit weiteren Beschwerden würde ich somit lediglich das Untertanenverhältnis perpetuieren. Die von mir in letzter Zeit benutzte Notlösung, die Beschwerden als zwischenstaatliche Protestnoten zu deklarieren, dünkt mich zu diplomatisch.

Als Bundesrichter stehen Sie an der Spitze der schweizerischen Gerichtshierarchie. Diese Position zwingt Sie, den Subordinierten von Zeit zu Zeit deutlich zu signalisieren, wer das Sagen hat. Würden Sie alle Beschwerden abmurksen, wären Sie nicht nur im Handumdrehen abgeschafft, weil allen klar würde, dass es Sie nicht braucht, sondern es würden auch die gierigen Möchtegernbundesrichter der unteren und übrigen Instanzen ausser Rand und Band geraten. Indem Sie Beschwerden meiner Klientschaft gutgeheissen haben, haben Sie nicht so sehr ihr Unglück besänftigen, als vielmehr Ihren Sie ständig belauernden Konkurrenten eins aufs Dach geben wollen.

Sie werden nun, nachdem ich als Schmierölbehälter für das Räderwerk dieses Teils der weltumspannenden Maschinenfabrik ausfalle, nach einer Ersatzflasche Ausschau halten müssen.

Ceterum censeo [lat. "Ausserdem denke ich"]: Bis jetzt hat - wie die Geschichte und die heutige Realität lehrt - noch kein Freiheitskämpfer irgend etwas am Lauf dieser Welt verändert. Noch alle sind sie gegen die Windmühlen gerannt.

Mein Entschluss setzt nicht nur meine innere Logik um - es ist egal, ob Sie gutheissen oder abweisen, Ihre Entscheide sind so oder so willkürlich - sondern er bietet auch den praktischen Vorteil, nicht mehr zur Unzeit an diesem elenden Schreibapparat hocken und mich mit meinen Elaboraten an Sie verdriessen zu müssen.

Dass es einen effizienteren als den Rechtsweg gibt, sei als letztes noch verraten.

Ich will Sie nicht zurücklassen, ohne Ihnen nicht noch einen guten Tip zu vererben. Ich schlage Ihnen vor, in Ihrem jolie mon repos [frz. "Meine schöne Zuflucht"] zehn Landstreicher einzuquartieren, neun davon den Stempel ABGEWIESEN und dem anderen das GUTGEHEISSEN mit der Verpflichtung in die Hand zu drücken, alle eingehenden Beschwerden der Reihe nach abzustempeln und zurückzuschicken. Nicht nur würden Millionen an Salären gespart, nein, die Kumpels hätten gleich auch ein solides Dach über dem Kopf. Sie können ja dem Parlament zuhanden deren Auftraggeber, richtig! - der schon wiederholt genannten Plutokraten, einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten und sich gerade auch für das Amt eines solchen Vagabunden anbieten. Die Aussicht, dass in Zukunft Menschen ohne ihr aufgedonnertes Ansehen die Welt durchmässen, würde sie um keinen Deut ärmer erscheinen lassen. Daran werden Sie, ich, wir alle spätestens bei Anlass des eigenen Ablebens unerbittlich gemahnt werden.

33. Adieu!

Ich entbiete den Herren, den Ministranten und den Untertanen dieser famosen Eidgenossenschaft meine

        

vorzüglichste Hochachtung

     

Freistaat Edmund Schönenberger.

12 Beilagen


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"Die Kraten gegen den Berg"

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