Bezirksgericht
Zürich
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Prozess
Nr. GG020432/U
Einzelrichteramt für Zivil- und Strafsachen
Mitwirkende: Einzelrichter lic.iur. U. Guggenbühl
Juristischer
Sekretär lic.iur. F. Schönknecht
Urteil
vom 6. November 2002
in Sachen
Bezirksanwaltschaft Zürich,
Büro-Nr. B-2, Unt. Nr. 01/13705, Stauffacherstr. 55,
Postfach, 8026 Zürich,
Anklägerin
gegen
Seelenlos, geboren 23. April 1963, [...] Kulturschaffender,
Pf 2122, 8031 Zürich,
Angeklagter
betreffend Gewaltdarstellungen
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2. -
Anklage:
Die
Anklageschrift der Bezirksanwaltschaft Zürich vom 11. Juni 2002
(act. 16) ist diesem Urteil beigeheftet.
Zur
Hauptverhandlung erschienene Parteien (Prot. S. 3):
Der
Angeklagte in Begleitung von RA'in lic.iur. Regula Bähler als erbetene
Verteidigerin
Hauptantrag
des Angeklagten:
(act. 18/1 S. 1)
"1.
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Auf die Anklage
sei nicht einzutreten und das Verfahren sei zur Berichtigung und
Ergänzung der Untersuchung an die Bezirksanwaltschaft zurückzuweisen.
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2. |
Die
Kosten des Verfahrens seien auf die Staatskasse zu nehmen.
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3. |
Dem
Angeklagten sei für prozessuale Umtriebe eine angemessene Entschädigung
zuzusprechen.
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4. |
Dem
Angeklagten sei eine angemessene Prozessentschädigung zuzusprechen."
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Eventualantrag
des Angeklagten:
(Prot.
S. 7, act. 19/1 S. 1)
"1.
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Der Angeklagte
sei von Schuld und Strafe freizusprechen.
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2. |
Die
Kosten des Verfahrens seien auf die Staatskasse zu nehmen.
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3. |
Dem
Angeklagten sei für prozessuale Umtriebe eine Entschädigung
in der Höhe von Fr. 625.-- zuzusprechen.
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4. |
Dem
Angeklagten sei eine angemessene Prozessentschädigung zuzusprechen.
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5. |
Überdies
sei dem Angeklagten eine Genugtuung in der Höhe von Fr. 3'000.-
auszurichten."
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3 -
Der Einzelrichter zieht in Betracht:
I.
Dem Angeklagten
wird in der Anklageschrift vom 11. Juni 2002 vorgeworfen, er veröffentliche
als Verantwortlicher der Internet-Seite www.blutgeil.com unter "Fotogalerie
Part I" seit Frühling/Sommer 2001 brutale Szenen aus dem Film "Blutgeil",
der vom Zürcher Obergericht im Entscheid ZR 95 Nr. 5 als Gewaltdarstellung
im Sinne von Art. 135 Abs. 1 StGB qualifiziert worden sei. Zudem würden
über den Link auf die Seite "www.blutrausch.com" weitere Informationen
zum Film sowie das Titelbild des Videos zugänglich gemacht. Gebe
man auf der Seite "www.geocities.com" das Stichwort "Blutgeil" ein,
gelange man im Weiteren unter "www.geocities.com/nekromantik75/index4.htm"
auf einen Hinweis zum Film in der Originalversion. Schliesslich habe
sich der Angeklagte für einen Bericht des Tages- Anzeigers vom
22. März 2002 in einem Pullover mit dem Aufdruck "Blutgeil" und
"www.blutgeil.com" ablichten lassen (act. 16 S. 1 f.).
Durch dieses Verhalten soll sich der
Angeklagte der Gewaltdarstellungen im Sinne von Art. 135 Abs. 1 StGB
schuldig gemacht haben (act. 16 S. 2 f.).
II.
1. RA'in Bähler
beantragte anlässlich der Hauptverhandlung vom 6. November 2002
namens des Angeklagten, es sei auf die Anklage nicht einzutreten, und
das Verfahren sei zur Berichtigung und Ergänzung der Untersuchung
an die Bezirksanwaltschaft zurückzuweisen (act. 18/1 S. 1).
2. Gemäss § 182 Abs. 3 StPO hat das Gericht
seinen Entscheid auszusetzen und der Anklagebehörde Gelegenheit
zu geben, die Anklage abzuändern oder zu ergänzen, wenn es
der Auffassung ist, dass zwar ein strafbarer Tatbestand vorliege, die
Anklage den Anforderungen von § 162 StPO jedoch nicht ent-
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spreche. Diese Rückweisung ist
nicht zu verwechseln mit derjenigen nach § 183 Abs. 2 StPO zur
Beweis- und Aktenergänzung. Letztere wird vorgenommen, wenn die
Beweislage bei soweit vollständiger Anklage ergänzungsbedürftig
ist. Eine Verbindung einer Rückweisung nach § 182 Abs. 3 StPO
mit einer solchen nach § 183 Abs. 2 StPO ist nicht zulässig
(Schmid, in: Donatsch/Schmid, Kommentar zur Strafprozessordnung des
Kantons Zürich, Zürich 2000, § 182 N 13 und 16).
Für die in casu beantragte Rückweisung der Anklage ist demnach
erforderlich, dass aufgrund der Akten bzw. der Hauptverhandlung feststeht,
dass ein strafbares Verhalten bewiesen ist. Bestehen aus materiellrechtlichen
oder anderen Gründen Zweifel, dass eine formgültige Anklage
zu einer Verurteilung führen würde, so fällt eine Rückweisung
aufgrund von § 182 Abs. 3 StPO von Vornherein nicht in Betracht.
Es ist nicht die Pflicht der Gerichts, nach allenfalls gegebenen Straftaten
zu forschen und auch nur auf die Möglichkeit hin, dass ein (weiterer)
Tatbestand erfüllt sein könnte, eine Rückweisung vorzunehmen
(Schmid, in: Donatsch/Schmid, a.a.O., § 182 N 15). Wie im Folgenden
zu zeigen sein wird, fehlt es im vorliegenden Fall an dieser zentralen
Voraussetzung, weshalb es sich an dieser Stelle erübrigt, die Anklageschrift
auf ihre Konformität mit § 162 StPO zu überprüfen.
III.
1. Der
Angeklagte hat sowohl in der Untersuchung als auch anlässlich der
Hauptverhandlung zugegeben, dass er für die Internet-Seite www.blutgeil.com
verantwortlich sei (act. 4 S.1, act. 5 S.1, Prot. S. 4) und dass auf
dieser Seite unter "Fotogalerie Part I" Bilder aus dem Film "Blutgeil"
veröffentlicht würden (act. 4 S. 1, act. 5 S. 1 f., Prot.
S. 4 f. und 6 f.). Im Weiteren hat er nicht bestritten,
dass über einen Link auf die Seite "www.blutrausch.com/sites/blutgeil.html"
weitere Informationen zum Film sowie das Titelbild des Videos abrufbar
seien (act. 5 S. 3 f.) und dass man, auf die Seite "nekromantik75" und
dort auf einen Hinweis zum Film in der Originalversion gelange, wenn
man auf "www.geocities.com" unter dem Stichwort "Blutgeil" suche (act.
5 S. 4). Schliesslich gibt er zu, sich für ei-
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nen Bericht des Tages-Anzeigers vom 22.
März 2002 in einem Pullover mit dem Aufdruck "Blutgeil" und "www.blutgeil.com"
abgelichtet haben zu lassen (act. 14 S. 1).
2. Die vom Angeklagten eingestandenen
bzw. nicht bestrittenen Vorwürfe decken sich mit dem Untersuchungsergebnis
(act. 7 S. 21 ff.; act. 7 S. 14, act. 6 S.1; act. 6 S. 2 und 5; act.13)
weshalb der Sachverhalt, wie er der Anklageschrift zugrunde liegt, rechtsgenügend
erstellt ist.
IV.
1.1
Nach Art.135 Abs.1 StGB wird bestraft, wer Ton- oder Bildaufnahmen,
Abbildungen, andere Gegenstände oder Vorführungen, die - ohne
schutzwürdigen kulturellen oder wissenschaftlichen Wert zu haben
- grausame Gewalttätigkeiten gegen Menschen eindringlich darstellen
und dabei die elementare Würde des Menschen in schwerer Weise verletzen,
herstellt, einführt, lagert, in Verkehr bringt, anpreist, ausstellt,
anbietet, zeigt, überläst oder zugänglich macht.
1.2 Am 1. Januar 1990 in Kraft getreten, ist Artikel 135 StGB aufgrund
des Bedürfnisses nach einer Strafvorschrift gegen die mit der Zunahme
von Videorecordern einhergehende Verbreitung von Videokassetten, die
Vorgänge von abstossender Grausamkeit wiedergeben ("Brutalos"),
eingeführt worden. Heute ist die Schädlichkeit von Gewaltdarstellungen
bei Computerspielen (sogenannte "Ego- Shooter") im Zusammenhang mit
dem Attentat Ende April 2002 an einer Schule in Erfurt, Deutschland,
ins Zentrum der öffentlichen Diskussion gerückt. Der schwerfällig
und kompliziert formulierte Tatbestand knüpft an die befürchtete
Eignung von Gewaltdarstellungen an, Menschen zu verrohen und ihrerseits
zu Gewalttätigkeiten gegen Mitmenschen zu verleiten (Botschaft
vom 26 Juni 1985, BBI 1985 111009 ff., Spezialausgabe, S. 37). Es liegt
ihm also der Gedanke zugrunde, dass sich die im Gesetz genannten Darstellungen
und Vorführungen auf den Verbraucher korrumpierend auswirken, mithin
geeignet sein könnten, beim Betrachter die Bereitschaft zu erhöhen,
das Geschehen nachzuahmen (BGE 128 IV 28).
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1.3 Das durch die Norm
geschützte Rechtsgut ist schwierig einzugrenzen: Im Vordergrund
steht der Jugendschutz, bekämpft wird aber auch ein perverser Gewaltvoyeurismus,
der offenbar suchtartige Formen annehmen kann (Trechsel, Schweizerisches
Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 2. A., Zürich 1997, N 2 f. zu Art.
135). Beabsichtigt ist zudem, die kommerzielle Ausbeutung niederer Instinkte,
der Lust an fremder Qual, soweit wie möglich zu unterbinden, da
die Gewaltdarstellungen bei der betrachtenden Person die Bereitschaft
erhöhen könnten, selbst gewalttätig zu agieren oder doch
die Gewalttätigkeit anderer gleichgültig hinzunehmen. Da weit
gefasste Tatbestände im Interesse der Rechtssicherheit inhaltlich
restriktiv auszulegen sind, ist die Anwendung von Art. 135 StGB auf
die wirklich krassen und eindeutigen Fälle zu beschränken
(Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, 5. A.,
Bern 1995, § 4 N 91 f.).
1.4 Um als Gewaltdarstellung im Sinne von Art. 135
StGB strafbar zu sein, muss die Bild- oder Tonaufnahme Gewalttätigkeiten
gegen Menschen enthalten, die als grausam und eindringlich erscheinen.
Der Begriff der Gewalttätigkeit ist als aktive und aggressive
physische Einwirkung zu verstehen. Diese ist als grausam im Sinne
des Gesetzes einzustufen, wenn es um die Zufügung von auf schwere
körperlichen oder seelische Leiden ausgerichtete, brutale Einwirkungen
auf den Körper von Menschen oder Tieren geht. Es muss sich um erhebliche
Leiden handeln, wobei sich als Massstab der Begriff der Folter anbietet.
Eine eindringliche Darstellung ist sodann anzunehmen, sofern
diese realistisch und suggestiv wirkt und daher- namentlich durch das
Betonen von Details, Grossaufnahmen und Insistenz- ins Bewusstsein des
Betrachters eindringt (Trechsel, a.a.O., N 4 bis 7, der insbesondere
in N 4 den Film "Blutgeil" als krasses Beispiel für Gewalttätigkeiten
anfügt; Strathenwerth, a.a.O., § 4 N 100 ff.). Schliesslich
setzt die Bestimmung voraus, dass die Darstellungen die elementare
Würde des Menschen in schwerer Weise verletzen, was jedoch
bei Demonstrationen der umschriebenen Art praktisch immer der Fall sein
wird und daher kaum eine weitere Einschränkung der Strafbarkeit
mit sich bringen dürfte (Rehberg/Schmid, Strafrecht lll, 7. A Zürich
1997, S. 54).
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2.1 Die
auf der Internet-Seite "www.blutgeil.com" unter"Fotogalerie Part I"
veröffentlichte Bildabfolge zeigt in 11 Fotografien, wie ein Mann
mit einem Beil in das Knie eines Menschen hackt, worauf Blut aus der
Wunde spritzt. Daraufhin reisst er den Unterschenkel ab und verzehrt
Teile davon. Schliesslich wird der verletzten von einer weiteren Person
mit einem Messer der Bauch aufgeschlitzt (act. 7 S. 21 ff., act. 21).
Diese Darstellungen sind fraglos als grausame Gewalttätigkeiten
im Sinne des Gesetzes zu qualifizieren, da die gezeigten Einwirkungen
auf den Körper des Menschen auf die Zufügung schwerer Leiden
abzielen. Es ist somit zu prüfen, ob die Bilder auch das Tatbestandsmerkmal
der Eindringlichkeit erfüllen.
2.2 Dazu ist vorab festzuhalten, dass der von
RA'in Bähler vorgebrachten Argumentation, die Bilder seien - unter
anderem aufgrund der angebrachten Bildlegenden wie "spritz" oder "zerr"
(act. 21 S. 1 ff.) - mit einem Trickfilm zu vergleichen (act. 19/1 S.
2 und 5), nicht gefolgt werden kann. Zum einen sind die entsprechenden
Legenden auf den der Anklage zugrundeliegenden Bildern nicht vorhanden
(act. 7 S. 21 ff.), zum anderen geht den Darstellungen die dem Trickfilm
immanente Abstraktion ab (vgl. Trechsel, a.a.O., N 7). Auch zielt das
Argument ins Leere, zur Beurteilung der Eindringlichkeit sei auf ein
Spezialpublikum abzustellen, da nur Anhänger von Trash- und Splatterfilmen
die angebrachten Warnmeldungen (act. 7 S. 9 und 20; Prot. S. 8) mittels
Mausklick zum Verschwinden bringen würden, um zu den Filmausschnitten
zu gelangen (act. 19/1 S. 2 und 3). Mit Blick auf den Schutzzweck von
Art. 135 StGB, letzten Endes zu unterbinden, dass die Gewaltdarstellungen
bei der betrachtenden Person die Bereitschaft erhöhen könnten,
selbst gewalttätig zu agieren oder doch die Gewalttätigkeit
anderer gleichgültig hinzunehmen, kann es eben gerade nicht darauf
ankommen, ob der Betrachter sich solche Darstellungen gewohnt ist.
Indessen ist zu berücksichtigen, dass im vorliegenden Fall nicht
bewegte Bildsequenzen, sondern einzelne Fotos zu beurteilen sind. Auch
Fotografien sind grundsätzlich zur Gewaltdarstellung im Sinne von
Art. 135 StGB geeignet, von ihrer Intensität her aber nicht mit
einem Film vergleichbar, der durch Grossaufnahmen, Wiederholungen und
Ton auf den Betrachter viel suggestiver wirken kann.
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Zwar liegen die veröffentlichten
Farbbilder in Bezug auf Auflösung und Schärfe im Vergleich
zu gängigen Darstellungen im Internet in relativ hoher Qualität
und in ziemlich grossem Format vor. Sie sind deutlich erkennbar, weshalb
die Eindrücklichkeit der Bilder für den Betrachter gross ist.
Auch wenn die Fotografien zweifellos abstossend wirken, erreichen sie
dennoch nicht die geforderte Intensität, um das Tatbestandsmerkmal
der Eindringlichkeit zu erfüllen und damit den Schutzzweck der
Norm zu verletzen. Dazu fehlen ihnen Stilmittel wie die Aneinanderreihung
von Gross und Detailaufnahmen und die Einbettung der Bilder in eine
entsprechende Geräuschkulisse (act. 19/1 S. 3 und 9), aufgrund
derer das Obergericht des Kantons Zürich in seinem Urteil zum Film
"Blutgeil" vom 6. September 1995 denn auch zum Schluss kam, dass das
Tatbestandsmerkmal der Eindringlichkeit für die entsprechende Filmsequenz
gegeben ist.
Im Weiteren ist der "Fotogalerie Part I" eine gewisse satirische Komponente
nicht abzusprechen (act. 19/1 S. 3 und 5). So werden vorab Auszüge
der Argumentation des Zürcher Obergerichts zitiert, in denen auf
das Empfinden eines Durchschnittsbürgers abgestellt wird (act.
7 S. 18 f.). Anschliessend werden den Filmausschnitten dann Bilder der
jeweiligen Reaktionen von "Durchschnittsbetrachtern" aus verschiedenen
europäischen Städten zur Seite gestellt, wobei mehrheitlich
amüsierte Personen zu sehen sind (act. 7 S. 21 ff., act. 21 S.
1 ff.). Wohl schliessen satirische Einlagen Eindringlichkeit nicht von
Vornherein aus (vgl. Trechsel, a.a.O., N 7). Im vorliegenden Fall schaffen
die eingefügten Aufnahmen der lachenden Menschen jedoch Distanz
zu den Filmbildern, wodurch diese unrealistischer erscheinen und damit
zusätzlich an Suggestivkraft einbüssen.
2.3 Aufgrund des fehlenden Tatbestandsmerkmals
der Eindringlichkeit ist der objektive Tatbestand von Art. 135 StGB
somit nicht erfüllt. Damit kann offen bleiben, ob die Darstellungen
einen "schutzwürdigen oder wissenschaftlichen Wert" haben. Der
Angeklagte ist in Bezug auf die unter "Fotogalerie Part I" veröffentlichen
Bilder somit vom Vorwurf der Gewaltdarstellungen im Sinne von Art. 135
Abs. 1 StGB freizusprechen.
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3. Insoweit
dem Angeklagten vorgeworfen wird, er mache über den Link auf die
Seite "www.blutrausch.com/sites/blutgeil.html" Informationen zum Film
sowie das Titelbild des Videos zugänglich, wäre in einem ersten
Schritt zu prüfen, ob der Angeklagte für den
Inhalt dieser Seite überhaupt belangt werden könnte, wird
ihm in der Anklageschrift doch nirgends vorgeworfen - und ist aufgrund
der Akten im Übrigen auch nicht erstellt -, dass er Verantwortlicher
von "www.blutrausch.com" sei. Vorliegend kann dies indes unterbleiben,
denn das veröffentlichte Titelbild des Films zeigt keinerlei Gewalttätigkeiten
(act. 6 S. 1). Sodann liegt auch kein Anpreisen von Gewaltdarstellungen
im Sinne von Art. 135 StGB vor. Zwar wird der Film "Blutgeil" dokumentiert
und kommt zum Ausdruck, dass weiterhin Kopien des Films existieren (act.
6 S. 1). Dass dieser in der Schweiz dann aber auch tatsächlich
in der nicht zensurierten Originalversion bezogen werden kann, wird
in der Anklageschrift nicht behauptet und ist im Übrigen auch in
keiner Weise erstellt (act. 6 S. 1; act. 18/1 S. 3; Prot. S. 6). Der
Angeklagte ist deshalb auch insoweit vom Vorwurf der Gewaltdarstellungen
freizusprechen.
4. Dem Angeklagten wird weiter vorgeworfen, wenn
man auf "www.geocities.com" unter dem Stichwort "Blutgeil" suche, gelange
man unter "www.geocities.com/nekromantik75/index4.htm" auf einen Hinweis
zum Film in der Originalversion. Ob dieser Hinweis (act.
6 S. 2 ff., 5) als Anbieten im Sinne von Art. 135 StGB zu qualifizieren
ist, kann in casu offen bleiben, da nicht ersichtlich ist, weshalb der
Angeklagte für das fragliche Suchresultat verantwortlich sein sollte.
So wird ihm weder vorgeworfen, Verantwortlicher der Seite "www.geocities.com/nekromantik75/index4.htm"
oder der Suchmaschine "www.geocities.com" zu sein, noch einen Link auf
"nekromantik75" gesetzt zu haben. Da dies aufgrund der Akten auch nicht
erstellt ist (act. 5 S. 4; Prot. S. 4), ist der Angeklagte diesbezüglich
ebenfalls vom Vorwurf der Gewaltdarstellungen im Sinne von Art. 135
StGB freizusprechen.
5. Schliesslich wird dem Angeklagten
zum Vorwurf gemacht, er habe sich für einen Zeitungsartikel in
einem Pullover mit dem Aufdruck "Blutgeil" und "www.blutgeil.com" ablichten
lassen. Was das Logo "Blutgeil" anbetrifft, so ist das Verhalten des
Angeklagten nicht als Anpreisen des Films zu qualifizieren, kann
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dem Aufdruck doch nicht einmal die Information
entnommen werden, dass es sich bei "Blutgeil" um einen Film handelt.
Der Hinweis auf "www.blutgeil.com" ist sodann ebenfalls nicht tatbestandsmässig,
da die unter "Fotogalerie Part I" veröffentlichten Bilder keine
Gewaltdarstellungen zeigen (vgl. vorne Erw. 2.) und andere Darstellungen
im Sinne von Art. 135 StGB weder in der Anklageschrift umschrieben,
noch aus den Akten ersichtlich sind. Der Angeklagte ist demnach auch
in dieser Hinsicht vom Vorwurf der Gewaltdarstellungen freizusprechen.
6. Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass
der Entscheid nicht im Sinne von § 182 Abs. 3 StPO mit dem Zweck
auszusetzen ist, der Bezirksanwaltschaft Gelegenheit zur Abänderung
und Ergänzung der Anklage zu geben. Vielmehr ist der Angeklagte
vom Vorwurf der Gewaltdarstellungen im Sinne von Art. 135 StGB freizusprechen.
V.
1. Dem
Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Kosten, einschliesslich
derjenigen der Untersuchung, auf die Gerichtskasse zu nehmen (§
189 Abs. 5 StPO).
2. Im Weiteren ist dem Angeklagten eine
angemessene Prozessentschädigung aus der Gerichtskasse zuzusprechen
(§ 191 StPO i.V.m. § 43 Abs. 3 StPO). Dabei ist zu berücksichtigen,
dass nicht dargetan wurde, welche wesentlichen Umtriebe dem Angeklagten
ausser den Verteidigerkosten entstanden sind. So wurde nicht ausgeführt,
inwiefern sich sein behaupteter Zeitaufwand von 12,5 Stunden für
Einvernahmen und Zusammenarbeit mit der Verteidigerin tatsächlich
in einer Verminderung der Aktiven oder eine Vermehrung der Passiven
niedergeschlagen hat (act. 19/1 S. 9).
Die Verteidigerkosten bemessen
sich nach § 6 Abs. 1 lit. a der Verordnung über die Anwaltsgebühren.
Im Hinblick darauf, dass es sich sowohl in tatsächlicher, als auch
in rechtlicher Hinsicht nicht um einen besonders schwierigen Fall handelt,
erscheint eine Prozessentschädigung von Fr.
1'800.00 (inklusive 7,6 % Mehrwertsteuer) als angemessen.
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3.1 Gemäss
§ 191 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 43 Abs. 3 StPO hat ein
freigesprochener Angeklagter, der durch das Strafverfahren in seinen
persönlichen Verhältnissen schwer verletzt worden ist, sodann
Anspruch auf Ausrichtung einer angemessenen Geldsumme als Genugtuung.
Eine schwere Verletzung in den persönlichen Verhältnissen
erfährt einerseits derjenige, welcher ungerechtfertigt in Haft
versetzt wurde. Darüber hinaus vermag aber auch
das Strafverfahren ganz allgemein eine schwere Verletzung in den persönlichen
Verhältnissen zu bewirken, indem dieses zum Beispiel zu Rufschädigung
oder zur Tangierung der Privat- und Geheimsphäre führen kann
oder eine Verletzung der psychischen oder physischen Gesundheit mit
sich bringt (Ruth Wallimann Baur, Entschädigung und Genugtuung
durch den Staat an unschuldig Verfolgte im ordentlichen zürcherischen
Untersuchungsverfahren, Diss. Zürich 1998, S. 130 f.). Ist im Einzelfall
nicht Haft Grundlage des geltend gemachten Genugtuungsanspruchs, muss
eine schwere Verletzung in den persönlichen Verhältnissen
vom Angeklagten bewiesen oder zumindest glaubhaft gemacht werden (Schmid,
in: Donatsch/Schmid, a.a.O., § 43 N 18).
3.2 Der Angeklagte führte zur Begründung
seines Genugtuungsanspruches aus, dass er eine Biographie eines verstorbenen
Schriftstellers schreiben wolle. Da dessen Witwe bereits 90 Jahre alt
sei, müsse dieses Buch möglichst bald fertiggestellt werden.
Das vorliegende Strafverfahren stelle jedoch sein ganzes Leben auf den
Kopf (act. 19/1 S. 9, Prot. S. 3 f.).
RA'in Bähler hat den Zeitaufwand des Angeklagten in der Untersuchung
mit 12,5 Stunden veranschlagt (act. 19/1 S. 9). Obschon die für
die Hauptverhandlung aufgewendete Zeit noch dazuzuzählen ist, ist
somit nicht davon auszugehen, dass das Strafverfahren dem Angeklagten
in wesentlichem Umfang Zeit für die Redaktion seines Buches entzogen
hat. Auch wenn dem aber so wäre, würde dieser
Umstand die vom Gesetz für die Ausrichtung einer Genugtuung geforderte
Intensität der Persönlichkeitsverletzung nicht erreichen.
Da der Angeklagte ausserdem nicht in Haft versetzt worden ist und auch
keine andere schwere Verletzung in seinen persönlichen Verhältnissen
dargetan hat, ist ihm folglich keine Genugtuung zuzusprechen.
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12 -
Der Einzelrichter erkennt:
1.
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Der
Angeklagte ist nicht schuldig und wird freigesprochen.
|
2. |
Die
Gerichtsgebühr fällt ausser Ansatz; die weiteren Kosten
betragen:
Fr. 228.-- Schreibgebühren
Fr. 19.-- Zustellgebühren
Fr. 60.-- Vorladungsgebühren
Fr. -.-- Kanzleikosten
Untersuchung
Fr. 10.-- Auslagen
Untersuchung
|
3. |
Die
Kosten, einschliesslich derjenigen der Untersuchung, werden auf
die Gerichtskasse genommen.
|
4. |
Dem
Angeklagten wird eine Prozessentschädigung
von Fr. 1'800.00 (inklusive 7,6 % Mehrwertsteuer) aus der
Gerichtskasse zugesprochen.
|
5. |
Dem
Angeklagte wird keine Genugtuung zugesprochen.
|
6. |
Schriftliche
Mitteilung an
- den Angeklagten
- die Bezirksanwaltschaft Zürich,
Stauffacherstr. 55, 8026 Zürich, Büro-
Nr. B-2, Unt. Nr. 01/13705
sowie nach Eintritt der Rechtskraft an die Bezirksgerichtskasse.
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7. |
Eine
Berufung gegen dieses Urteil kann innert 20 Tagen von der
schriftlichen Mitteilung des Urteils an schriftlich beim Bezirksgericht
Zürich, Einzelrichteramt für Zivil- und Strafsachen, Postfach,
8026 Zürich, erklärt werden.
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8. |
Werden
lediglich die Kosten- und Entschädigungsbestimmungen beanstandet,
ist ein Rekurs innert 20 Tagen von der schriftlichen Mitteilung
an unter |
-13
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Anführung
der Gründe und Beilage des Entscheides sowie allfälliger Belege
schriftlich im Doppel beim Obergericht des Kantons Zürich, 111.
Strafkammer, Postfach, 8023 Zürich, einzureichen.
Der
Einzelrichter
|
Der
juristische Sekretär
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[Unterschrift]
|
[Unterschrift]
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